SWR2 Wort zum Tag

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16NOV2020
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„Wir sind alle Bürger einer Welt, ja alle ein Blut. Einen Menschen hassen, weil er anderswo geboren ist, weil er eine andere Sprache spricht, weil er anders über die Dinge denkt - welche Gedankenlosigkeit!“  Verblüffend aktuell sind die Worte von Johann Amos Comenius. Vor 350 Jahren, am 15. November 1670, ist er in Amsterdam im Alter von 78 Jahren gestorben. Comenius war Theologe und Philosoph, besonders aber ist er als Pädagoge bekannt geworden.

Ich finde, es lohnt sich, zu diesem Jahrestag an Comenius zu erinnern. Denn er war einer, der auch in düsteren Zeiten daran geglaubt hat, dass es möglich ist, etwas zu verbessern in der Welt – und zwar durch Bildung!

Das Leben des in Mähren geborenen Protestanten war geprägt von den blutigen konfessionellen Auseinandersetzungen und den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges: Über zwei Drittel seines Lebens lebt Comenius im Untergrund, ist auf der Flucht oder im Exil. In ihm wächst die Sehnsucht, durch bessere Bildung dafür zu sorgen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist. „Es könnte dies nicht anders geschehen“, schreibt er, „als dass die jungen Leute über alle Dinge besser unterrichtet und dadurch aus den Labyrinthen der Welt herausgeführt würden.

Comenius‘ Anspruch ist gewaltig. Er schreibt die „Große Didaktik“ – die „vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren“. Er fordert Unterricht für alle Kinder und Jugendlichen, egal, aus welchem Elternhaus sie kommen und welche Begabung sie mitbringen. Er macht sich Gedanken über gute Unterrichtsmethoden, die heute noch Bestand haben – etwa das Lernen mit allen fünf Sinnen. Und nicht zuletzt: Er sieht das gesamte Leben als Lernprozess – beginnend mit der „Schule des vorgeburtlichen Werdens" im Mutterleib bis zur hin "Schule des Todes", die zu einem würdigen und seligen Sterben führt.

Am meisten aber beeindruckt mich die brennende Sehnsucht nach einer besseren Welt, die hinter Comenius‘ Bildungsbemühungen stand. Für mich ist er ein Vorbild. Er macht mir Mut, auch 350 Jahre später die Hoffnung nicht aufzugeben. Auch heute entstehen Hass und Gewalt oft durch fehlendes Verständnis für andere oder werden durch bewusste Falschinformation geschürt: Trotzdem – oder gerade deshalb – lohnt es sich, weiter zu lernen und zu lehren, für eine bessere Welt und ein friedliches Miteinander. Denn, so sagt es Comenius: „Wir sitzen alle in dem großen Welttheater: Was gespielt wird, geht uns alle an, alles Licht erhalten wir von der Sonne, und Gott verdanken wir es, der uns das Auge dazu gegeben hat."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32061
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