SWR3 Gedanken

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21NOV2020
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Das Leben ist irgendwie eng geworden in diesem Monat. Kein Kino, keine Kneipe, kein Tanzengehen, nicht mal auf einen Kaffee kann man sich treffen.

Und jetzt wollen Anne und Marc ihre Tochter taufen lassen und haben sich diesen Taufspruch ausgesucht: „Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Ist das schierer Trotz, oder was?
Ich frage Marc, weshalb sie sich gerade für diesen Psalmvers entschieden haben. So weit sei der Raum ja nun gerade nicht.

Marc lächelt und erzählt von seiner jüngeren Schwester Ricarda. Ein quirliges Kind, neugierig und voller Bewegungsdrang. Zur Konfirmation hatte ihr der Pfarrer genau diesen Satz ausgesucht: „Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum.“

Ein halbes Jahr später hat sie einen schweren Unfall gehabt. Sie sitzt seither im Rollstuhl. Beide Beine gelähmt. „Das war sehr schwer für Ricarda“, erzählt Marc. „Mit 15 nicht wie die anderen zum Klettern, Tanzen, was auch immer. Irgendwann hat sie dann angefangen Musik zu machen. Sie singt und spielt Akkordeon. Von Pop bis Klezmer.  Alles ziemlich gut. In der Musik hat sie eine neue Welt gefunden. In der kann sie sich mühelos bewegen.

Neulich hat sie selbst gesagt: Jetzt verstehe ich meinen Konfirmationsspruch: ‚Gott stellt mich auf weiten Raum‘– ich brauche noch nicht mal meine Füße dazu.‘

Anne und ich wollen, dass unsere Tochter auch entdeckt, wie weit die Welt ist, in die sie Gott gestellt hat. Unter allen Umständen.“

Ich bin beindruckt. Und überzeugt: Gott hat unsere Füße auf weiten Raum gestellt – das ist nur eine Frage der Haltung.

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