Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21NOV2020
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Ein Rauschen im Wald, zwitschernde Vögel, der Duft von Moos. Eine Blumenwiese, in der Sonne glitzernde Schneeflocken oder ein farbenprächtiger Sonnenaufgang. Ich bleibe gerne stehen, wenn ich so etwas Wundervolles erlebe. Die vielfältige Schöpfung verzaubert mich. Manche Plätze ziehen mich fast magisch an. Die Natur war schon für mich als Kind etwas Besonderes, ein heiliger Raum. Als Jugendlicher habe gelernt, achtsam mit der Schöpfung umzugehen. Die Bewahrung der Schöpfung war eins der drei großen Themen in der Kirche. Für mich hat Christsein damals bedeutet: für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu sein. Ostermärsche und andere Aktionen waren sozusagen die „fridays for future“ in den 70er und 80er Jahren. Ich habe demonstriert gegen Atomkraft und Atomwaffen, gegen Waffenexporte in Krisengebiete, für die Freilassung politisch Gefangener und für ein menschliches Asylrecht. Der Slogan der organisierten katholischen Jugend hieß damals: „Je mystischer, desto politischer“! Das hat mich geprägt. Je tiefer der Glaube, desto größer das gesellschaftliche Engagement. Das politische Engagement fiel mir leicht. Der spirituelle Weg war schwieriger. Ich hatte manchmal das Gefühl, meine Gebete sind nur Selbstgespräche. Und wenn ich meditiert habe, fühlte ich mich leer. Meinen Kinderglauben hatte ich im Studium verloren, aber irgendetwas sagte mir: „Geh weiter, bleib nicht stehen. Gib deinen kritischen Verstand nicht auf. Suche weiter Gott, auch wenn er in der Welt oder im Weltall nicht zu finden ist.“ Neugierig habe ich verschiedene Dinge ausprobiert: indianische Schwitzhütte, keltisches Sonnenritual, Wicca-Zeremonien. Als Event war es jeweils interessant, aber ich hatte immer das Gefühl einer schlechten Kopie. Mir wurde „Erleuchtung“ versprochen. Aber diese Inszenierungen zurück in den „Seelenstrom der Natur“, wie es hieß, waren für meinen gesunden Menschenverstand keine wirkliche Option. Ich wollte so etwas wie „spirituell kochen lernen“ und hatte das Gefühl mich mit einer Fertigpizza oder einer rohen Karotte begnügen zu müssen. Beim Meditieren spürte ich schließlich den Impuls: Geh den Weg weiter nach innen, in die Tiefe.Es war verstörend, welche Gedanken und Bilder da auftauchen. Es war auch mühsam, die innere Stille auszuhalten, aber ich habe am Grund meiner Seele etwas Kostbares, etwas Beglückendes entdeckt: Irgendwie eins zu sein mit dem Universum. Diese Erfahrung in Worte zu fassen ist schwer, aber, wenn ich es versuche, entdecke ich immer mehr Seelenverwandte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32047
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