Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18NOV2020
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Heute ist Buß- und Bettag. In meiner Jugendzeit war dieser Mittwoch ein gesetzlicher Feiertag. Schulen und Läden waren geschlossen und wir nutzten diesen Tag immer für einen Ausflug ins benachbarte Elsass. Für uns als Katholiken, so wurde mir gesagt, gilt dieser Tag nicht. Wir mussten nicht in den Gottesdienst. Was hat es mit diesem Feiertag auf sich, der traditionell für Katholiken nicht gilt?Er ist ursprünglich ein antiker Brauch. Ähnliches gibt es in fast allen Religionen. Die Machthaber haben solche Bußtage verordnet, wenn Kriege, Hungersnöte oder etwas anderes die Bevölkerung bedroht haben. Man hat sich vorgestellt, die Not entsteht, weil die Menschen untereinander oder gegenüber der höheren Ordnung gesündigt haben. Die Beziehungen sind gestört und müssen wieder miteinander versöhnt werden. Wenn man so denkt, sind Sühnetage sowohl für den Einzelnen als auch die Gemeinschaft „not-wendig“. Es hilft, die Sünden zu bekennen, sich rituell zu reinigen und in irgendeiner Form Sühne zu leisten. Das soll die göttlichen Mächte beschwichtigen und entsprechend die Not wenden. Allerdings glaube ich nicht an göttliche Strafen. Genauso wenig wie Jesus daran geglaubt hat. Die Corona-Pandemie ist sicher nicht die Strafe Gottes für sündiges menschliches Verhalten. Ursache und Wirkung hängen hier nicht zusammen. Wir müssen kein göttliches Wesen beschwichtigen und mit ihm Tauschhandel betreiben. Aber dass wir uns als Gläubige aktiv an einem besseren Leben in der globalisierten Welt beteiligen können, das glaube ich schon. Es ist sinnvoll, dass wir uns als Gesellschaft bewusst Zeit dafür nehmen, über unsere Lebensweisen nachdenken. Mich wundert es schon, dass wir diese Krise so wenig nutzen, um uns grundsätzlichere Fragen zu stellen, wie wir zukünftig leben wollen. Es ist für mich nicht mehr nur eine individuelle Frage, was besseres Leben bedeutet: Anders essen, auf Fleisch verzichten, mit dem Rauchen aufhören oder weniger Alkohol trinken, weniger arbeiten, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Jeder kennt seine eigenen Themen und weiß für sich, ob und was er ändern möchte. Aber was bedeutet es für unsere Welt? Einfach weiter so?Den Buß- und Bettag heute während der Corona-Pandemie bewusst begehen, heißt für mich zunächst, mir zu überlegen, wo und wie ich mein eigenes Leben verbessern kann. Dann, wie ich mich solidarisch und rücksichtsvoll meinen Mitmenschen gegenüber in der Krise verhalten kann, und schließlich möchte ich über die Themennachdenken und diskutieren, die für ein besseres Leben von allen Menschen wichtig sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32044
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