Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16NOV2020
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Als Jugendlicher habe ich mich durch den Kalten Krieg bedroht gefühlt. Und fast täglich gab es Berichte über Umweltkatastrophen. Wir hatten damals Angst. Wir fühlten uns nicht wohl, haben diskutiert, gebetet, demonstriert. Das war unsere Art, mit der Bedrohung umzugehen. Die aktuelle Corona-Pandemie bedroht uns global. „Sie hat die Welt aus den Angeln gehoben,“ heißt die Analyse der ARD Themenwoche, und zwar wirtschaftlich, politisch, sozial. Die Situationen sind vielleicht nicht direkt vergleichbar, aber trotzdem fühle ich mich heute wesentlich gelassener und zuversichtlicher. Ich bin nicht nur älter, sondern auch in meinem Glauben reifer geworden. Den Impuls dazu hat ein evangelischer Pfarrer gesetzt. Jörg Zink. Er war Sprecher der Friedens- und Ökologiebewegung. In Mutlangen beim Protest gegen die dort gelagerten Atomwaffen hielt er eine Predigt. Er war mutig und glaubte trotz allem an die Vision von einer gerechten, friedlichen und heilsamen Welt. Er war ein sehr gläubiger Mensch. Für mich ein Vorbild.Ich erinnere mich, dass der Pfarrer uns aufgefordert hat, weiter zu suchen, aufmerksam zu bleiben - obwohl wir von unserer politischen Haltung überzeugt waren. Er hat an eine Wirklichkeit geglaubt, die die materielle Welt übersteigt. Wenn Menschen glauben, sind sie überzeugt, dass es etwas Größeres gibt. Es kann wissenschaftlich und sinnlich nicht immer erklärt werden. Es ist nicht fassbar und schwer zu beschreiben. Der Pfarrer hat uns aufgefordert, ins eigene Herz zu lauschen. Wie geht das? Viele kluge religiöse Menschen haben in den letzten Jahrhunderten dazu interessante Texte geschrieben. Es ist nicht irgendein spezieller Weg nur von Heiligen oder Frommen, nicht ein Weg, wo man Mönch oder Nonne werden muss oder den ganzen Tag nur noch meditieren, sondern ein Weg, den jeder und jede gehen kann. Offen sein, um hören und festhalten zu können, was uns von Gott entgegenkommt. Es ist die Melodie in unserem Herzen, nach der wir unsere Schritte setzen müssen, wenn wir etwas ahnen wollen von Gott. (vgl. Jörg Zink). Als Christ glaube ich, dass uns dieses Lauschen ins eigene Herz aus der vermeintlich ausweglosen Lage der Welt, auch in der Corona-Pandemie, in eine gute, friedliche Zukunft führen kann. Die Kontaktbeschränkungen jetzt im November sind bitter und manchmal schwer auszuhalten, aber mir fällt die Decke zu Hause nicht auf den Kopf, sondern ich nutze die Zeit, um ins eigene Herz zu lauschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32042
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