Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14NOV2020
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Ich war immer stolz auf meine Schwestern und meinen Bruder und ich genieße es, Geschwister zu haben. Gleichzeitig sind meine Geschwister manchmal eine echte Herausforderung. Denn nur weil wir dieselben Eltern haben, sind wir ja noch lange nicht einer Meinung. Das war früher schon so und ist es noch heute. Wir haben zudem vollkommen unterschiedliche Persönlichkeiten. Doch damit sind wir in guter Gesellschaft, wie mir Bekannte berichten und schon zur Zeit der Bibel war das nicht anders.

Dort wird von den beiden Schwestern Maria und Martha erzählt, die auch völlig unterschiedlich getickt haben. Martha hat sich sogar bei Jesus darüber beschwert, dass Maria nicht geholfen hat, als er zu Besuch war. Statt zu helfen hat sie nur dagesessen und zugehört.

Geschwister beobachten sich ständig und wehe, sie sehen, dass Aufgaben oder Privilegien nicht gerecht verteilt sind. Da folgt umgehend der Protest. Geschwister sind kritisch miteinander. Und nicht selten neidisch. Doch wenn es drauf ankommt, halten sie oftmals zusammen. Wehe, ein Außenstehender hat Witze über meine Schwestern oder meinen Bruder gemacht. Da habe ich sie umgehend verteidigt, selbst wenn wir kurz vorher noch Zoff hatten. Wir Geschwister haben uns ziemlich viel an den Kopf geworfen und im Innersten doch gewusst, dass unsere Beziehung nicht in Frage gestellt ist. Ich habe schon oft beobachtet, wie Geschwister in Notsituationen zusammenhalten. Genauso war es auch bei Maria und Martha, als später ihr Bruder schwer krank geworden und schließlich gestorben ist.

Früher haben sich die Leute auch in der Kirche mit Bruder und Schwester angeredet. Also: Bruder Müller, statt Herr Müller und Schwester Meier statt Frau Meier. Damit wollten sie zeigen, dass sie zusammengehören, weil Gott ihr gemeinsamer Vater ist. Irgendwann hat sich diese Anrede dann verloren. Sie klingt für heutige Ohren altbacken und zu sehr nach „geschlossener Gesellschaft“. Doch ich verstehe, was gemeint war.

In meiner Familie haben wir trotz der Unterschiede bisher zusammengehalten, auch in echt schweren Zeiten. Und so versuche ich es auch mit anderen Leuten halten, dass ich sie auch nach ernsthaften Auseinandersetzungen nicht fallen lasse. Denn ein bisschen sind sie ja alle meine Schwestern und Brüder. Gott hat uns alle als seine Kinder geschaffen. Zurzeit sind viele dünnhäutig und gehen schnell mal oben raus – ich auch. Doch hinterher können wir wieder zusammenkommen. Wie Geschwister eben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32017
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