Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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06NOV2020
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Der häufigste Satz, den ein Kind sagt, heißt: „Guck mal!“ Das sagt der Moderator und Kabarettist Eckart von Hirschhausen.[1]Er sollte es wissen, schließlich hat er als Arzt einige Zeit in einer Kinderklinik gearbeitet.

Menschen wollen gesehen werden. Und Kinder trauen sich noch ganz unbefangen, das auch zu zeigen: Guck mal, was ich gebaut hab! Guck mal, ich hab mich angemalt! Guck mal, ich kann einen Purzelbaum! Auch später sehnen wir uns danach, dass wir gesehen werden. Da geht es dann nicht mehr um lustige Verkleidungen, kleine Kunststücke und hohe Türme aus Bauklötzen. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, hieß es vor Jahren mal in der Werbung für Bankdarlehen. Sozusagen das „Guck mal“ für Erwachsene.Guck mal, wie weit ich‘s gebracht habe!

Vielleicht haben wir das ja in den Genen, dass wir etwas vorweisen wollen, das anderen Respekt abnötigt. Weil es uns ‚an-gesehen‘ macht und eben ‚An-sehen‘ verleiht. Solange ich mithalten kann in diesem Wettbewerb des Könnens und des Erfolgs, mag das ja ganz befriedigend sein. Aber was ist, wenn ich da rausfalle? Eine Krankheit, ein Schicksalsschlag, das Alter – irgendwann kann es sein, dass ich nichts mehr vorzuweisen habe, das Eindruck machen könnte. Und zusehen muss, wie die anderen vorbeiziehen. Wer bin ich dann noch? Bin ich dann auch noch an-gesehen?Oder werde ich quasi unsichtbar, unwichtig?

Dass wir angeschaut werden, ist wichtig, in jedem Lebensalter. Und längst bevor ich als Kind „Guck mal!“ sagen konnte, bin ich schon angeschaut worden, tausendmal. Von Menschen, die es gut mit mir gemeint haben. Und bevor irgendein Mensch mich hätte anschauen können und sich an mir freuen, hat Gott mich angeschaut und sich an mir gefreut. Einfach so. Weil ich ein Mensch bin. Ein einzigartiger Mensch, den es kein zweites Mal geben wird. Das glaube ich ganz fest. Und ich hoffe, dass Gott mich auch dann noch anschaut und sich an mir freut, wenn ich für die Welt um mich her einmal nichts mehr bedeute. Mich vielleicht kaum mehr bemerkbar machen kann und schon gar nichts mehr vorzuweisen habe.

Ich wünsche mir, dass ich dann noch beten kann. Es darf dann auch ganz schlicht, ganz elementar sein. Vielleicht nur: Guck mal, Gott! Guck mich an! Vielleicht wird das ja mein letztes Gebet.

 

[1]in: Hirschhausens Check-up, rbb, 03.07.2019

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31955
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