Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05NOV2020
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Meine Verwandtschaft ist ganz schön weitläufig, Ihre wahrscheinlich auch. Die näher Verwandten kenne ich alle. Dann gibt‘s die, die man nur bei Beerdigungen sieht und auch nur mit Mühe wiedererkennt. Und schließlich viele, von denen man nur vom Hörensagen weiß, dass man irgendwie verwandt ist, aber keiner weiß mehr wie.

Biologisch betrachtet ist unsere Verwandtschaft noch viel, viel größer. Nicht nur, dass wir genetisch mit allen Menschen verwandt sind, egal, wo sie leben und wie sie aussehen. Einen großen Teil unserer Gene haben wir sogar mit den Tieren gemeinsam. Nicht einmal zwei Prozent unterscheiden unsere Gene von denen der Schimpansen. Aber auch andere Arten, bei denen man es nicht vermuten würde, haben erstaunliche genetische Gemeinsamkeiten mit uns.

Natürlich haben wir als Menschen eine Sonderstellung. Nach dem Schöpfungsbericht der Bibel haben wir die größte Ähnlichkeit mit dem Schöpfer. Wir Menschen sind dem gemeinsamen Vater quasi ‚wie aus dem Gesicht geschnitten‘. Deshalb hat er uns auch die Welt anvertraut und alles, was darin ist und lebt. Zu treuen Händen.

Aber unsere Hände sind leider nicht ‚treu‘, wir sind schlechte Treuhänder. Wir nutzen die Schöpfung nicht nur, wir beuten sie aus. Wir sind stolz auf unsere Würde, und merken nicht, dass alles Lebendige seine eigene Art von Würde hat. Alle Arten. Auch Tiere. Auch Pflanzen. Weil alles aus derselben Hand des Schöpfers kommt.

Wir haben lange gebraucht, bis uns klar wurde, dass unser brutaler Umgang mit der Schöpfung nicht auf Dauer gutgehen kann. Dass es nur eine Erde gibt. Dass Tiere mehr sind als Proteinlieferanten, Arbeitsmittel, Versuchskaninchen.

„Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt.“ Der Schriftsteller Christian Morgenstern hat das gesagt. Er war darin schon vor hundertzwanzig Jahren so weitsichtig wie wir‘s gerade erst werden.

Zum Glück haben wir die Möglichkeit umzudenken. Denn zu unserer einzigartigen Würde als Menschen gehört, dass wir auch Verantwortung haben. Ein Gewissen, das uns wenigstens ahnen lässt, was richtig ist und was falsch. Hoffentlich haben wir auch die Kraft, danach zu handeln! Es wäre eine echte Win-win-Situation. Für uns und für die Schöpfung Gottes, mit allen unseren Verwandten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31954
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