Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31OKT2020
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Gelegentlich kommt aus der Wohnung im Erdgeschoss ein schreckliches Gebrüll. Anfangs war ich irritiert. Inzwischen weiß ich: Der Vater spielt Löwe mit seinen beiden Kindern. Und die kreischen vor Vergnügen und rufen „nochmal, nochmal“, wenn der Papa schon ganz heiser ist. Ein bisschen fürchten sie sich natürlich auch, denn der Löwe brüllt wirklich fürchterlich. Aber das ist wohl der Reiz – sich fürchten und doch wissen: Eigentlich ist es ja der Papa und mir kann nichts passieren. Ist ja alles nur ein Spiel. „Angstlust“ sagen die Psychologen dazu. Später lieben manche Kinder Gruselgeschichten und noch später Gruselfilme. Die kann man sich anschauen, wenn man weiß: es ist ja nur eine Geschichte, nur ein Film. In Wirklichkeit kann mir gar nichts geschehen.

Heute ist auch so ein Tag, wo Kinder, aber auch immer mehr Erwachsene mit der Lust am Gruseln spielen. Halloween. Man stellt Rübengeister oder Kürbisgeister vor die Tür- die leuchten gruselig im Dunkeln, und man weiß doch: Ist ja bloß ein Kürbis. Und wenn sich Kinder und Erwachsene als Gespenster verkleiden oder gar als Gerippe mit Totenkopf, dann wissen doch alle: Solche Geister gibt es nicht. Schön gruselig ist es trotzdem.

Halt mal, sagen sie jetzt vielleicht, Halloween? Müssten Sie als evangelische Pfarrerin nicht vom Reformationstag reden? Das ist wohl wahr. Seit Jahrhunderten denken wir Evangelische an diesem Tag am Martin Luther und wie er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zur Erneuerung der Kirche veröffentlicht hat. Damit fing der Protest der Protestanten an. Heute sind in Deutschland die Hälfte der Christen protestantisch, also evangelisch.

Martin Luther hat sich viel gegruselt und Angst gehabt: Vor dem Teufel und seinen Versuchungen. Aber dann hat er irgendwann begriffen: Gott ist stärker als alle teuflischen Mächte. Bei ihm bin ich geborgen. „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.“ (Rö 8, 38f) So steht es in seiner Bibelübersetzung. Darauf hat Luther sich verlassen. Gegen alle, die ihm Angst machen und ihn einschüchtern wollten.

Mit so einem Gottvertrauen muss man sich über Halloween nicht ärgern. Und schon gar nicht sich vor Geistern fürchten. Man kann über diesen ganzen Humbug lachen wie Luther. Der hat gesagt: „Wenn dich der Teufel zu arg zwickt, dann streck ihm einfach den nackten Hintern hin.“

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