Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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29OKT2020
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Es gibt eine kleine Region, westlich vom Kaspischen Meer, mit 150.000 Einwohnern, 4.400 Quadratkilometer groß. Also ein bisschen mehr Einwohner als Ulm, die Fläche knapp doppelt so groß wie das Saarland. Das Gebiet heißt Bergkarabach. Seit der Antike haben dort die Armenier geherrscht, dann die Albaner, später die Kurden, danach die Araber, die Perser, die Osmanen, seit dem 19. Jahrhundert hat Bergkarabach zu Russland gehört, im 20. Jahrhundert zur Sowjetunion. Seit dem 4. Jahrhundert waren die Menschen dort Christen, seit dem 8. Jahrhundert leben dort auch Muslime. Immer wieder fühlten sich dort die einen von den anderen ungerecht behandelt und unterdrückt. Heute liegt Bergkarabach auf dem Gebiet des muslimischen Aserbeidschan, aber die Mehrheit der Menschen sind christliche Armenier – soweit ich das verstanden habe.

Eine jahrhundertelange Geschichte von Konflikten und Unterdrückung, Besatzung und Freiheitskämpfen, Gewalt und Tod. Jede Familie beklagt Verluste und Tote. Alle fühlen sich benachteiligt und entrechtet. Solche Konflikte gab und gibt es nicht nur dort, sondern in vielen Teilen der Welt.-

Wie kann es einen Weg geben heraus aus solcher Feindschaft, die über Jahrhunderte gewachsen ist? Was kann man tun?

Vor über 2000 Jahren hat ein Prophet in ähnlicher Situation im Namen Gottes einen Rat gegeben. Damals waren die Einwohner Israels ins ferne Feindesland verschleppt worden. An Heimkehr war nicht zu denken. Da erinnert sie der Prophet Jeremia, was für Gott richtig ist. Die Menschen sollen sich einsetzen, dass sie da, wo sie jetzt wohnen, gut leben können. Alle! Dass sie einander nachtragen, was gewesen ist, das soll aufhören. Sie sollen sich beheimaten und sich nicht abgrenzen. Ich finde das sensationell. Fremde sollen sich integrieren, zum Wohl ihrer Stadt. Dann kann das Miteinander gut werden. Bloß nicht die Feindschaft pflegen!

Sie sollen darum auch für ihre Stadt beten, schreibt Jeremia den Landsleuten. Beten, wie sie es auch in ihrer alten Heimat getan haben. Das ist für Jeremia genauso wichtig.

Beides gehört zusammen: Beten für das Wohl der Städte und Dörfer und ihrer Bewohner. Wo Menschen füreinander beten, da werden sie sich nicht bekriegen. Und für das Gemeinwohl arbeiten. So könnte es gut werden. Wenn alle diesen Rat beherzigen – wenn es der Stadt gut geht, dann geht es jedem gut.

Manchmal frage ich mich, was daran so schwer zu verstehen ist. In Bergkarabach und manchmal auch bei uns.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31928
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