Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23OKT2020
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So ein Schnappschuss gelingt einem vielleicht nur einmal im Leben. Wie dem Naturfotografen Daniel Biber*. Er hat einen Vogelschwarm fotografiert, und zwar in dem einen kurzen Moment, in dem die vielen einzelnen Vögel wie ein einziger großer Vogel am Himmel ausgesehen haben. Ein Vogelschwarm in Form eines Vogels! Ein traumhaft schönes Foto, das auch noch das abbildet, was einen Schwarm ausmacht: Dass das  Zusammenspiel vieler einzelner Lebewesen sie stärker, schöner oder klüger machen kann. Und das ist ja auch der Sinn und Zweck von Vogelschwärmen. Die einzelnen Vögel orientieren sich aneinander und miteinander und wissen so wohin sie wie fliegen. Und sie schützen sich durch den Schwarm. Wenn zum Beispiel ein größerer Vogel einen kleinen als Beute haben will, nehmen ihn die vielen kleinen so dicht in die Mitte ihres Schwarmes, dass der große Vogel seine Flügel nicht mehr ausbreiten kann und aus dem Schwarm herausfällt. Schwarmintelligenz nennt man das. Diese Fähigkeit hat natürlich auch der Mensch. Die Fähigkeit sich zu vernetzen, gemeinsam bessere Lösungen zu finden als einsam. Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia ist ein Beispiel für Schwarmintelligenz. Oder die Presse- und Meinungsvielfalt, die bestenfalls dazu beiträgt, dass eine Gesellschaft immer klüger oder sozialer wird. Was die sogenannten „Sozialen“ Medien wie facebook eben genau nicht schaffen. Weil man dort eher in den Gruppenblasen bleibt, statt durch den Austausch von Verschiedenheiten die besten Lösungen zu finden. Ich selbst habe das Glück gehabt, eine ganz besondere Art von Schwarmintelligenz kennenzulernen. Wenn Psychologische Berater und Therapeutinnen bei ihren Fallbesprechungen in einer Gruppe all ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Gefühle zusammenbringen. Dann gibt es so gut wie immer eine Lösung, selbst für den schwierigsten Fall. Seelische Schwarmintelligenz nenne ich das.


Wenn es das doch auch mehr in anderen Bereichen gäbe. In der Politik etwa, wenn Opposition und Regierung nicht immer nur verbal aufeinander draufhauen würden, sondern gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. Und wie schön wäre es bei den Religionen. Wenn sie das Beste ihrer Verschiedenheiten sehen könnten, es schätzen und anwenden könnten. Und sich so Gott gemeinsam immer mehr annähern, statt sich streitend von ihm zu entfernen…

 

 

* Quelle: Daniel Biber, www.danielbiber.com (Costa Brava, Spanien).

Entnommen aus „Der Andere Advent“ 2018/19 Titelfoto

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31866
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