Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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22OKT2020
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„Allein sein müssen, ist das Schwerste. Allein sein können, das Schönste“. Dieser Satz von Hans Krailsheimer bringt den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit sehr schön auf den Punkt. Wie gut es tut, sich ab und zu aus allem Trubel rauszunehmen und nur für sich zu sein. Keiner will was, nichts muss geschehen und ich kann machen was ich will. Meinen Gedanken und Gefühlen nachhängen und so mal wieder ganz bei mir selbst zu Gast sein. Bewirtet mit allem was mir gut tut. Das ist gesundes, lebensnotwendiges Alleinsein.

Nachweislich ungesund ist das erzwungene Alleinsein, die Einsamkeit. Einsame Menschen sind gesundheitlich anfälliger und sie sterben früher. Da zeigt sich, dass wir Menschen Sozialwesen sind. So wie wir ab und zu Ruhe und Zeit für uns allein brauchen, so brauchen wir andere Menschen, um uns sicher und glücklich zu fühlen. Einsame Menschen hingegen fühlen sich verlassen, nicht gesehen oder nicht gebraucht. Bezeichnenderweise fühlen sich viele Jugendliche und über 80jährige einsam. Die Jugendlichen weil sie sich in ihrer Selbstfindungsphase oft einfach anders fühlen als Andere und damit auch schmerzlich getrennt von ihnen. Und die über 80jährigen sind oft gezwungenermaßen allein, weil der Lebenspartner gestorben ist, sie zu wenig Zuwendung bekommen oder weil sie sich abgeschoben fühlen. Von einem Mann* der viel mit armen, alten und einsamen Menschen zu tun hat, habe ich folgende Beschreibung vom Alltag einer alten Frau:

 

„Sie frühstückt alleine, liest die Zeitung, kocht sich Mittagessen, trinkt einen Kaffee und legt sich wieder hin. Sie geht nicht aus und trifft niemanden, weil die meisten ihrer Freunde schon tot sind. Sie macht sich aber jeden Tag ordentlich zurecht, obwohl sie nie Besuch bekommt. Nur weil sie möchte, dass der Bestatter sie eines Tages gut frisiert findet und er keinen Schreck bekommt.“

 

Zitat, Quellenangabe: *Jochen Brühl, Quelle: Galore Interviews, Nr. 38, 12/2190 S. 58, Verlag Dialog GmbH, Dortmund.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31865
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