Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich möchte von „Lenz“ erzählen. Von jenem Lenz, der in Georg Büchners gleichnamigen Roman die Hauptrolle spielt. Er bereist den Süden Deutschlands und kommt dabei zu Pfarrer Oberlin. Im Steintal, einer sehr armen und rückständigen Gegend südlich von Straßburg, hatte dieser zu Beginn des 19. Jhdts eine großartige Gemeinde- und Sozialarbeit aufgebaut.

Lenz ist ein empfindsamer junger Mensch. Er ist begeistert und erfüllt von der Liebe und dem Engagement dieses Pfarrers, ja mehr noch: von der Gegenwart Gottes in diesem Menschen. Wie kreativ und engagiert er sich für die Menschen einsetzt.
Aber gleichzeitig leidet Lenz.
Er leidet unendlich an der Not, die er sieht. An dem Leiden, das ihm überall begegnet.
Und er fragt sich: Wie passt das zusammen: Gott und Leiden. Warum Krankheit und Not? Und er sehnt sich danach, zu verstehen und Gott zu begreifen.

Einmal, als Oberlin zu Lenz von Gott spricht, sieht Lenz ihn „mit einem Ausdruck unendlichen Leidens“ an und sagt endlich: Aber ich, wär ich allmächtig, sehen Sie, wenn ich so wäre, ich könnte das Leiden nicht ertragen, ich – an Gottes Stelle – ich würde retten, retten....“

Daran stirbt ihm, dem Lenz, schließlich auch Gott, dass der – wie es scheint - nicht rettet. Und nicht nur ihm! Wie viele sagen es so: „Ich kann nicht mehr glauben, bei allem, was ich an Leid in meinem Leben gesehen habe!“

***

Auch ich weiß keine Antwort. Kann das Leiden nicht verstehen und bleibe ein Suchender. Und doch finde ich im Evangelium immer wieder kleine Spuren, auf denen ich dem Rätsel um Gottes Umgang mit dem Leid nachspüren kann. „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem!“ sagt Jesus seinen Jüngern, als er mit ihnen seinem Ende entgegen zieht.
So, als wolle er sagen: „Wir gehen nicht an den Ort der Macht, sondern hinauf zum Berg Golgatha. Nicht, wo Glanz und Herrlichkeit zu sehen ist, sondern wo gelitten wird, da ist mein Platz.“

• Um Bruder zu werden und Nächster,
• Um nicht über den Dingen zu stehen, sondern mitten drin.

Lenz konnte es nicht sehen. Anders ging es Dietrich Bonhoeffer. Er schreibt aus der Gefängniszelle: Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns. - https://www.kirche-im-swr.de/?m=3177
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