Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Sätze, die vergisst man nicht. Formulierungen, die sich tief ins Gedächtnis eingegraben haben. Einer solcher Sätze, die mich seit meiner Kindheit begleiten, stammt aus der Erzählung vom Zöllner Zachäus.
Ich war ein kleiner Junge, vielleicht 10 Jahre alt. Und erlebte einen plattdeutschen Gottesdienst. Plattdeutsch, – das war die Sprache meiner ersten 6 Lebensjahre, in ihr war ich zuhause, in ihr lebte ich, in ihr fühlte ich.
Und nun ein Gottesdienst, nicht im gelehrten Hochdeutsch, sondern auf platt.

Da stand nun ein Pfarrer und erzählte von dem reichen Zöllner, der seinen Reichtum nicht immer mit legalen Mitteln erworben hatte. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben. Sie schubsten ihn, stießen ihn beiseite. Die Volksmenge war zu groß, er zu klein, so kletterte er auf einen Maulbeerbaum - um Jesus zu sehen.
Und Jesus kommt – er zieht die Straße hinauf, umjubelt von unzähligen Menschen. Doch mit einem Mal bleibt er stehen. Direkt unter dem Baum. – Ich höre es noch wie heute:
„Zachäus, kumm rünne von dien Muhlbeerboom, ick mut dick hüt beseuken!“ –

• Zachäus, Komm herunter von deinem Baum, in den du dich zurückgezogen hast, komm herunter - aus dem Gestrüpp, in dem du dich verstiegen hast,
• komm heraus aus deiner Einsamkeit und Isolation, aus deiner Verlorenheit!“

„Ich will dick hüt beseuken, - Keine Forderung an ihn, den Einsamen, an ihn den Su-chenden, sondern nur herzliche Wärme. - Ich sehe die gute Stube meines Elternhauses vor mir. – „In deiner Stube, dort, wo du zuhause bis, will ich sitzen- mit dir, will zuhören und reden, Zeit haben für dich!“

Ich glaube, so ist Gott: Einer, der sich interessiert, der unsere Nähe sucht und ganz für uns da ist. Der nicht mit Forderungen kommt: Ändere dich, reiß dich zusammen,
räum auf in deinem Leben, und dann komme ich zu dir. Sondern umgekehrt: „ich will dick hüt beseuken!“

Bei Zachäus stößt dieser Gast die Tür sperrangel weit auf. Voller Freude nimmt er ihn in sein Haus auf. Und erfüllt von dem Besuch will er seinem Leben eine neue Richtung geben - ohne üble Betrügereien, ohne elenden Egoismus, der nur äußerlich reich werden lässt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3175
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