Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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02OKT2020
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Vor ein paar Wochen im Urlaub haben wir einen Ausflug gemacht. Hingefahren sind wir mit dem Auto. Als wir angekommen waren, hat ein Fahrradfahrer angehalten und mich angesprochen. Auf dem Weg hätte ich ihn überholt – und dabei den vorgeschriebenen Seitenabstand nicht eingehalten.

Im ersten Moment habe ich mich geärgert. Weil mir das mit den ein Meter fünfzig zur Seite sehr wichtig ist. Ich fahre ja oft genug selbst Fahrrad und kenne die Unsicherheit, wenn mir ein Auto zu nah kommt. Deshalb achte ich auch am Steuer drauf – und war mir ganz sicher, richtig überholt zu haben.

Aber im Grunde hat dieser Mann sich an einen biblischen Rat gehalten. Der Rat, Dinge direkt miteinander zu klären, der findet sich nämlich auch in der Bibel. Jesus hat dort mal gesagt: „Wenn dein Bruder – oder deine Schwester – dir Unrecht tut: Geh’ hin und stell’ ihn unter vier Augen zur Rede! Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder zurückgewonnen.“ Und erst, wenn das nicht funktioniert, soll man andere Menschen mit ins Vertrauen ziehen oder sogar vor Gericht gehen.

Ich glaube, mit dieser Devise würden viele Streitigkeiten nicht so ausufern. Wenn man den anderen nur mit der persönlichen Kritik konfrontiert, dann muss der nicht groß zurückschießen. Eine Sache wird dann nicht größer als sie eigentlich ist. Und im besten Fall kann man die Sache auch gleich aus der Welt räumen und muss sich nicht mehr gegenseitig böse sein.

Auch wenn ich mich zuerst geärgert habe: So gesehen war es doch gut, dass dieser Fahrradfahrer direkt auf mich zugekommen ist. Er hätte seinen Ärger ja auch runterschlucken können. Und dann vielleicht irgendwann an jemand anderem auslassen. Und gut auch, dass er seine Kritik sachlich begründet hat. Er hat mir konkret gesagt, was ihn geärgert hat. Und ist nicht allgemein hergezogen über „die Autofahrer“ oder „die Touristen“ oder „die jungen Leute“. So was hilft ja niemandem richtig weiter.

Ich bin dann doch noch ins Nachdenken gekommen damals im Urlaub. Vielleicht habe ich ja tatsächlich zu wenig Abstand gelassen? Die Straße war ehrlich gesagt ziemlich eng, und wenn dann noch auf beiden Seiten Radfahrer unterwegs sind … Auf der Rückfahrt habe ich doppelt gut aufgepasst beim Überholen. Und so wie dieser eine Fahrradfahrer will ich es selbst auch machen, wenn mich das nächste Mal was ärgert.

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