SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

01OKT2020
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Ich war immer der Meinung, die Propheten aus der Bibel seien Leute, die genau wüssten, wo´s langgeht. Immerhin sind sie ja so etwas wie das „Sprachrohr Gottes“. Das ist aber gar nicht so. Viele von ihnen wollten sich erst mal drücken und waren Zweifler vor dem Herrn. 

Moses zum Beispiel. Als Gott ihm den Auftrag erteilt, die Israeliten aus Ägypten herauszuführen, da ziert er sich und druckst herum: „Na ja, Herr, sie werden mir nicht glauben. Und überhaupt: Ich kann doch überhaupt nicht gut reden, geschweige denn überzeugen. Nimm doch bitte einen anderen.“ 

Oder Elija. Der hat Mist gebaut und setzt sich danach unter einen Baum, und möchte weder essen noch trinken, geschweige denn einen neuen Auftrag annehmen. Vielleicht der erste Sitzstreik der Geschichte – und das gleich mit einem so mächtigen Streikgegner wie Gott. 

Das kenne ich exakt von mir selbst. Wenn es um eine heikle Aufgabe geht, oder wenn mir etwas eine Nummer zu groß erscheint – dann reagiere ich auch so: Es wird sich schon jemand anderes finden. Warum gerade ich? Jemand anders kann das doch viel besser. Und gegen das meiste kann ich eh nichts ausrichten: Für die Umgehungsstraße ist kein Geld da, und die Kinderarbeit in Asien kann ich auch nicht abschaffen. 

Gott bleibt in diesen Situationen beharrlich. Er ermutigt seine Propheten. Er traut ihnen viel mehr zu, als sie sich selbst. Mose stellt er seinen Bruder Aaron zur Seite, der ein richtig guter Redner ist. Und Elija schickt er einen Engel mit frisch duftendem Brot und Wasser. Und ich glaube, auch mir traut Gott manchmal mehr zu als ich mir selbst. 

Anstatt nur auf „die Politiker da oben“ zu schimpfen, könnte ich mich selbst engagieren – und wenn es nur bei Themen ist, die mich interessieren. Warum nicht auf der Liste für die Umgehungsstraße unterschreiben. Unfaire Arbeitsbedingungen werde ich allein nicht umkrempeln. Aber ich könnte am Klamottenregal entscheiden, wem ich mein Geld gebe. 

Das ganz große Rad kann ich damit vielleicht nicht drehen. Aber ich kann da Verantwortung übernehmen wo es mir möglich ist. Nicht allem machtlos zusehen, sondern selbst mitgestalten. Gott braucht mich vielleicht nicht als großen Befreier, aber als kleinen Propheten vor der eigenen Haustür.

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