SWR4 Sonntagsgedanken

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20SEP2020
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Wie ich Menschen wahrnehme – andere und mich selber

Es gibt Tiere, die sehen einfach albern aus. Jedenfalls wenn man sie genauer betrachtet. Pinguine zum Beispiel. Der Komiker Eckart von Hirschhausen erzählt in einem seiner Bühnenprogramme, wie er einmal einen Pinguin beobachtet hat. Er sagt: „Was für ein armes Würstchen. Der hat zu kleine Flügel, einen kleinen Bauch und dafür keine Knie. Was hat sich der Schöpfer bei dem gedacht?“[1]Hirschhausen ist auch Arzt und achtet genau auf den Körperbau. Für ihn ist dieser Pinguin anatomisch gesehen eine Fehlkonstruktion. Dann aber sieht er ihn schwimmen und staunt: Der Pinguin fliegt geradezu durchs Wasser, wendig und effizient, energiesparender als alles, was Menschen bisher erfunden haben.

Hirschhausen erzählt diese Situation zwar mit sehr viel Witz. Aber für ihn stecken zwei ernste Dinge dahinter:

Zum einen merkt er, dass er Leute oft zu schnell beurteilt, obwohl er das eigentlich gar nicht möchte. Das kenne ich auch. Wie schnell steckt man jemanden in eine Schublade? Das ist oft gar nicht böse gemeint. Aber große, durchtrainierte schlanke Körper zum Beispiel verbinde ich mit anderen Dingen als kleine rundliche. Die einen sind zielstrebig und leistungsstark; die anderen eher gemütlich. Oder die Sprache: wer stottert und Dialekt spricht, wer blumig erzählt und nicht gleich auf den Punkt kommt, dem traut man oft weniger zu als denjenigen, die das nicht tun. Das täuscht aber! Auch die Durchtrainierten können gemütlich sein und die Molligen zielstrebig. Und man muss kein brillanter Redner sein, um Erfolg zu haben! Solche Bilder bekommt ich oft vermittelt – durch die Werbung oder die Medien. Aber es lohnt sich, sie kritisch zu hinterfragen. Denn oft stimmen sie gar nicht.

Hirschhausen fällt durch den Pinguin noch etwas Zweites auf, das ihm wichtig ist: jeder hat seine Stärken. Und in der richtigen Umgebung machen sie ihn einzigartig. Hirschhausen sagt, es sei fatal, sich mit anderen zu vergleichen und ihnen nachzueifern. Schließlich gäbe es schon genug „andere“. Viel wichtiger sei es, seine eigenen Stärken zu kennen und dafür zu sorgen, dass man wie der Pinguin im Wasser, in seinem Element ist und die Stärken dort entfalten kann.

Auch das unterschreibe ich gerne. Aber ich finde auch, es ist leichter gesagt als getan! Denn was sind meine Stärken? Mir fällt es oft schwer, sie zu benennen.

Was mir recht schnell einfällt, sind die Dinge, die ich gerne mache: fotografieren zum Beispiel. Ich denke, ich kann das ganz gut. Und wenn ich die Fotos dann bearbeite, Collagen oder Grußkarten gestalte, kommt noch was hinzu: Ich vergesse alles um mich herum. Das klingt doch nach meinem Element: wenn ich so ganz bei mir bin und die Zeit nur so verfliegt. Das ist doch schon mal eine ganz gute Spur.

 

Echte Stärken nützen anderen

Der Komiker Eckart von Hirschhausen hat einmal Pinguine beobachtet und gemerkt: Auch wenn sie an Land unbeholfen wirken, sind sie in ihrem Element Wasser einzigartig geschickt. Er überträgt das auf Menschen und sagt, jeder habe Stärken und müsse dafür sorgen, in seinem Element zu sein. Aber was sind meine Stärken? In meinen Gedanken zum Sonntag habe ich mich das eben gefragt.

Im Internet bin ich auf einen Fragebogen gestoßen, der dabei helfen soll, die eigenen Stärken zu entdecken.[2]Besonders interessant finde ich da die Frage, was mich an anderen stört. Die erschließt sich nämlich erst auf den zweiten Blick: Was mich stört, verrät mir, was mir wichtig ist. Und das wiederum, führt mich zu dem, was ich gut kann. Vor einiger Zeit war ich zum Beispiel echt genervt. Meine Tochter hat ein Sportabzeichen verliehen bekommen und die Mikrofone waren falsch eingestellt. Ich saß im Publikum und habe nichts verstanden! Auch sonst waren die Veranstalter schlecht vorbereitet und hatten sich offenbar kaum abgesprochen. Das heißt aber umgekehrt: sauber zu arbeiten, Dinge gut vorzubereiten und genau zu organisieren, gehört wohl zu meinen Stärken. Und ich glaube, das stimmt. Wenn ich mir die nächste Frage auf dem Fragebogen hernehme und schaue, worin ich bisher Erfolg hatte oder warum mir etwas gelungen ist, bestätigt sich das: ich habe Prüfungen bestanden, weil ich gut vorbereitet war. Kollegen sind mit mir zufrieden, weil ich genau bin und verlässlich; meistens jedenfalls. Und ich habe Menschen auch schon mal ein gutes Wort mitgeben können, weil ich ihnen zugehört habe und auf das reagieren konnte, was sie mir erzählt haben.

Dieser Fragebogen geht noch weiter. Er fragt nach Schulfächern, die ich gerne hatte, nach dem, was mir leichter fällt als anderen, oder wofür ich schon gelobt wurde. Wenn ich mir diese Fragen stelle, habe ich am Ende einige Stärken zusammen, die mich auszeichnen. Die kann ich dann sortieren und lerne so die Elemente kennen, in denen ich mich besonders wohlfühle.

Eckart von Hirschhausen hat entdeckt, dass er kreativ ist und Leute zum Lachen bringt, dass er gerne formuliert und mit Sprache spielt. Dinge, so sagt er, die als Arzt ungünstig sind, wenn man Arztbriefe oder Rezepte schreibt. Er hat deshalb den Beruf gewechselt und ist auf die Bühne gegangen. Er glaubt, als Komiker mehr von dem geben zu können, was er ist, was er weiß und kann.

Das beeindruckt mich. Nicht nur, dass er den Beruf gewechselt hat. Vor allem den Grund, den er nennt: die anderen. Hirschhausen sagt, er könne Leuten jetzt besser helfen als früher und sich selber und anderen mehr Spaß bereiten. Für mich ist das ein wichtiges Kriterium, wenn ich meine eigenen Stärken sortiere: ich denke, eine Stärke ist noch wertvoller, wenn sie nicht nur mir, sondern auch anderen nützt.

Nicht jeder, der seine Stärken erforscht, muss gleich den Beruf wechseln. Wer sie aber kennt, kann dafür sorgen, dass er in seinem Element ist. Das macht nämlich Spaß und tut einfach gut!
Also dann, sagt Hirschhausen: Mach es wie der Pinguin auf dem Felsen. Such dein Wasser. Geh in kleinen Schritten darauf zu und spring. Spring und schwimm.

 

[1]Vgl. Eckart von Hirschhausen: Mach es wie der Pinguin! Finde dein Element Eckart von Hirschhausen (Glück kommt selten ein). Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=tOxywMaE8GY.

[2]Vgl. Katharina Tempel. Zehn Fragen, um deine Stärken zu entdecken. Quelle: https://goo.gl/PnXVc6.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31677
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