Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Früher habe ich gerne gesagt: „Gott ist wie ein Vater zu uns“ - heute kommt mir das nicht mehr so leicht über die Lippen.
Die Frau mir gegenüber war vielleicht gerade Anfang zwanzig und wirkte sehr traurig. Sie erzählte mir ein Stück aus ihrem Leben und ich verstand: mit dem Begriff des „Vaters im Himmel“ konnte und wollte sie Gott nicht verbinden.
So wie ihr Vater? Nein! Einen solchen Gott brauchte sie nicht.
Sicher hatte ich früher auch Probleme mit meinem Vater, aber ich konnte mir immer vorstellen, wie ein wirklich guter Vater sein müsste.
Bei ihr war das anders - Gott als Vater? Nein, das ging einfach nicht.
Woher kommt das eigentlich, dass Christen so oft von Gott als ihrem „Vater“ sprechen? Vielleicht, weil Jesus immer wieder einmal von Gott erzählt – in kurzen Geschichten in denen oft ein Vater vorkommt?
Dabei sagt er gar nicht: „Gott ist wie ein lieber Vater.“
„Nein. Im Gegenteil“, sagt Jesus: „Gott ist ganz anders als eure Väter“.
Und er erzählt von dem Sohn, der es zuhause nicht mehr aushält. „Überall ist es besser als hier“, meint der Sohn – und sein Vater kann ihn nicht festhalten, bleibt verletzt und enttäuscht zurück.
Es dauert lange, bis der Sohn merkt, dass es zuhause viel besser ist als in der Fremde – und er kehrt reumütig heim.
Mein Vater hätte mich empfangen mit den Worten: „Siehst du, das habe ich dir doch gleich gesagt, hättest du nur mal auf mich gehört“ – das hätte mein Vater gesagt.
Aber Gott ist anders: Er läuft dem Sohn entgegen, schützt ihn damit vor dem Geschwätz der Leute, nimmt ihn in die Arme und freut sich, dass sein Sohn wieder daheim ist.
Kein Wort des Vorwurfs, der Anklage, oder der Besserwisserei.
So etwas braucht Gott nicht.

Seit der Begegnung mit dieser jungen Frau spreche ich nicht mehr so leicht von Gott als unserem „Vater im Himmel“ – sondern ich erzähle wie Gott so ganz anders ist:
Eben wie jemand, der mich lieb hat, so wie ich bin.
Der mit mir ein riesen Fest feiert, weil er sich so sehr freut, wenn ich zu ihm umkehre – egal, was geschehen ist.
Und der mir so begegnet, wie ich es gerade jetzt brauche.
So ist Gott.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3167
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