Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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19SEP2020
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Man braucht keinen großen Namen, um ein großartiger Mensch zu sein. Der Künstler Marc Chagall hat das in einem wunderbaren Bild dargestellt. Er hat die biblische Szene gemalt, in der eine ägyptische Prinzessin ein Baby in einem Schilfkörbchen findet. Mose. Seine verzweifelten Eltern hatten ihn auf dem Nil ausgesetzt. Sie gehörten zum Volk Israel, das in Ägypten versklavt war. Der Pharao, Herrscher von Ägypten, hatte befohlen, die Kinder dieses Volkes umbringen zu lassen. Um ihren Sohn Mose zu retten, haben seine Eltern ihn auf dem Nil ausgesetzt. Ausgerechnet die Prinzessin, die Tochter des Pharao, hat den Jungen gefunden und an Land geholt.

Marc Chagall hat diese Szene gemalt. Allerdings hat er nicht nur eine Prinzessin gemalt, sondern zwei. Er setzt noch einer zweiten jungen Frau eine Krone auf. Einem Sklavenmädchen. Das ist Miriam, die Schwester von Mose. Die ist nicht wichtig, hätten die Ägypter damals gesagt. Bloß eine Sklavenmädchen.

Als aber die Eltern den kleinen Mose aussetzen, bleibt Miriam in seiner Nähe. Als die Prinzessin ihren Bruder gefunden hat, geht sie hin und bietet ihre eigene Mutter als Babysitterin und Amme an. Und tatsächlich: die Prinzessin gibt Mose in die Obhut seiner Mutter. Die Familie ist wieder vereint.

Miriam, das einfache Sklavenmädchen, ist eine ganz Große. So sieht es Chagall, der ihr kurzerhand eine Krone aufgesetzt hat. So haben es schon diejenigen gesehen, die die biblische Geschichte aufgeschrieben haben. Sie haben sich sogar den Namen der jungen Frau gemerkt. Miriam. Den Namen des mächtigen Pharao oder seiner Tochter hat niemand aufgeschrieben. Aber den Namen von Miriam, nach der in Ägypten keine Straße benannt worden wäre. Oder die Namen ihrer Eltern Amram und Jochebed, die sich um ihre Kinder gekümmert haben, gerade in schweren Zeiten. Es sind die kleinen Leute, deren Namen in der Bibel aufgeschrieben worden sind. Sie waren nicht mächtig und hatten kein Geld. Aber Gottvertrauen, das hatten sie. Und Gott hat seine Hand über ihrem Leben gehalten. Für ihn waren sie wichtig.

Viele Familien haben später ihre Töchter nach Miriam benannt. Miriam oder – in der lateinischen Variante des Namens – Maria. So haben sie ihren Kindern die Botschaft mitgegeben: Sei liebevoll und kühn. Und hab‘ Gottvertrauen. Du bist ein wichtiger Mensch. Ohne dich wäre diese Welt ärmer.

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