Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14SEP2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein Preis für den besten Zuhörer oder die aufmerksamste Zuhörerin!

Es gibt ihn leider nicht, diesen Preis. Eigentlich müsste man ihn erfinden. Wenn Ihnen schonmal jemand in Ruhe zugehört hat, verstehen Sie, was ich meine. Zuhören beginnt mit der Entscheidung: „Ich habe Zeit. Jetzt. Für Dich. Ich bin ganz Ohr. Meine Gedanken wandern nicht woanders hin. Das Handy ist aus. Ich unterbreche dich nicht.“ Zuhören: das kann dauern.

Mir fallen einige Menschen ein, die ich für den Preis für den besten Zuhörer oder die aufmerksamste Zuhörerin vorschlagen würde.

Zum Beispiel 3 Männer, von denen die Bibel erzählt. Sie waren mit Hiob befreundet. Hiob, das war der, der von mehreren Hiobsbotschaften niedergeschmettert worden ist. Als er fix und fertig war, haben sich seine Freunde nicht zurückgezogen, sondern sie haben ihn besucht. Dafür allein hätten sie schon einen Preis verdient, finde ich. Sie saßen tagelang bei ihm und haben mit ihm geschwiegen. Sie haben ihm schon zugehört, als er noch gar nichts sagen konnte. Später haben sie ihn zugetextet, was dann weniger hilfreich war. Aber immerhin, sie haben ihm lange zugehört, gerade dann, als er kaum Worte gefunden hat.

Außerdem würde ich für den Preis die vielen Frauen und Männer vorschlagen, die ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge mitmachen. Sie sind ganz Ohr. Für jeden Menschen, der anruft und Hilfe braucht. Tag und Nacht.

Wer zuhört, nimmt den anderen Menschen ernst. Vielleicht hat der, der erzählt, einige Zeit gebraucht, um sich ein Herz zu fassen und zu erzählen. Vielleicht ist er schon oft überhört worden oder kam nicht auf die Idee, dass seine Geschichte jemanden interessieren könnte. Ich glaube, so offen zu sein, kostet beide etwas. Den Menschen, der erzählt, und den Menschen, der zuhört. Beide öffnen ihr Herz. Für beide kann sich dadurch etwas ändern, etwas in Bewegung kommen.

Gabi würde ich für den Preis auch vorschlagen. Gabi treffe ich manchmal in der Stadt. Sie fragt nie im Vorbeigehen: „Wie geht’s?“ Sie stellt immer erst ihre Tasche ab, wenn sie gerade Zeit hat. Dann fragt sie und hört zu. Sie will wissen, wie es mir geht. Sie hätte den Preis auch verdient, finde ich.

Menschen, die einem zuhören, sind ein Segen. Wer fällt Ihnen ein?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31653
weiterlesen...