Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05SEP2020
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Kaum zu glauben, aber für ein paar Wochen schienen Gottesdienste und die Möglichkeiten trotz Corona daran teilzunehmen geradezu ein Thema von nationaler Bedeutung zu sein. Doch inzwischen ist die Beschäftigung mit den Angeboten der Christen wieder auf ihr altes Normalmaß reduziert. Schon Paulus weiß, dass die Verkündigung des Evangeliums keineswegs immer auf Interesse stößt. Und das hat Gründe: Das Evangelium, das Wort vom Kreuz ist für die einen ein Ärgernis und für die anderen eine Torheit, schreibt er. Entweder Zumutung und Provokation, oder dummes Zeug und unlogischer Quatsch. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auf der einen Seite stehen Menschen, die es mit der Moral ernst meinen. Sie bemühen sich, gute Menschen zu sein. Sie trennen sorgfältig den Müll, helfen bei der Tafel, spenden für Katastrophenfonds und engagieren sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Keine Frage, wenn alle so wären, sähe die Welt besser aus. Was brauchen sie Gott? Für Menschen wie sie ist das Evangelium häufig eine unverschämte Provokation: Wie bitte? Auch sie sollen auf die Vergebung und Hilfe Gottes angewiesen sein?

Die andere Front ist nicht weniger brisant, denn es stimmt ja: alle wichtigen Elemente des Glaubens wirken unlogisch und sind dem Verstand nicht ohne weiteres zugänglich. Unfassbar, was diese Christen glauben und bekennen: Dass Gott selbst nach einer Empfängnis ohne Beteiligung eines Mannes in einem Stall als Baby zur Welt gekommen sei. Dass ausgerechnet das erbärmliche Sterben von Jesus auf einem Hügel bei Jerusalem die Rettung der ganzen Welt bedeute. Dass er anschließend von den Toten auferstanden sei. Und so weiter. – Ja geht es noch verrückter? Wer soll denn so etwas glauben?

In unserer Zeit kommt noch hinzu, dass die Themen des Evangeliums viele Zeitgenossen überhaupt nicht interessieren. Ob Jesus auferstanden ist oder nicht? Mag sein. Für mich ist es nicht wichtig. Mich interessiert vielmehr: Wie bewältige ich meine Krisen und Konflikte? Was macht mich erfolgreicher, schöner, glücklicher und zufriedener?

Und doch gibt es immer noch und immer wieder neu Menschen, die wissen, dass wir uns letztlich die Welt nicht selbst erklären können und uns auch nicht selbst von unserer Unzulänglichkeit und Begrenztheit befreien können. Dass wir Gott brauchen, um mitten in Unsicherheit und Verwirrung Kurs zu halten. – Ein Gutes hat die Coronakrise immerhin. Nie war es so einfach, am Sonntagmorgen zum Beispiel über Youtube an einem inspirierenden Gottesdienst teilzunehmen. Ich freu mich schon darauf.

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