Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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26AUG2020
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Ende Juli bin ich mit einer Freundin an Kocher und Jagst entlang geradelt. Es war herrlich. Gut warm. Sommer satt. Etwas früh für diese Zeit im Jahr sind wir an vielen bereits abgemähten Getreidefeldern vorbeigekommen. Das drückt bei mir immer etwas auf die Stimmung. Diese kahlen Stoppelfelder zeigen eindeutig, dass die längste Zeit Sommer war. Das macht mich wehmütig. Zum einen, weil ich den Sommer liebe und ihn ungern gehen sehe. Zum anderen weil ich mich frage, wie viele Sommer ich wohl noch erleben darf?

Bei allem was mich dabei wehmütig stimmt, bin ich dankbar für einen Gedanken von Viktor Frankl, dem Wiener Arzt und Psychotherapeut. Bei ihm habe ich gelesen: „Manche Menschen sehen nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit und nicht die vollen Scheunen der Vergangenheit.“  

Da hat er wohl recht!  Höchste Zeit für einen Blickwechsel. Wo abgeerntete Stoppelfelder sind, da gibt es auch eine Ernte. Die vollen Scheunen der Vergangenheit sehen, das heißt, mir bewusstwerden, dass ich eine Art Schatzkammer habe, in dem mein ganzes Leben geborgen ist. In der die Schätze lagern, all das, was von mir gelebt wurde. Wenn ich darauf schaue, erkenne ich, was mein Leben bislang ausgemacht hat. Womit es gefüllt ist. Wieviel wunderbaren Menschen ich begegnet bin, was ich Schönes erlebt habe, wieviel Schweres ich auch durchgestanden habe. Nichts, von dem was ich erlebt habe geht verloren. Ich kann es bergen, schützen und immer wieder herholen. Das macht mich sehr dankbar.

Und es lässt mich zuversichtlicher auf die abgemähten Stoppelfelder schauen. Was konkret für mein Leben heißt: Ich schaue dieses Jahr auf 30 Berufsjahre zurück. In diesen drei Jahrzehnten habe ich manches beackert, einiges geerntet, so manche Brache ausgehalten und auch Unkraut gejätet. Jetzt liegen - so ich gesund bleibe noch 10 Berufsjahre vor mir. Auch eine Art Acker, der jedes Jahr neu bestellt werden will. Darauf freue ich mich. Und ich will gern weiter pflügen, ackern und vor allem aussäen, was in mir steckt und mir geschenkt ist.

Was daraus wird, liegt nicht nur in meiner Hand – Gott sei Dank.

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