Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Das Leben festhalten – mit offenen Armen“ – das klingt total widersprüchlich. Und geht doch gar nicht, hab ich gedacht als ich diesen Satz gelesen habe. Was kann damit gemeint sein:

„Das Leben festhalten – mit offenen Armen“? Ich kann doch nichts festhalten und gleichzeitig die Arme ausbreiten. Eine verrückte Aufforderung – aber je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt sie mir. Durch den Widerspruch wird das Ganze sehr lebendig und provozierend. Es steckt Bewegung drin.

Zum einen soll ich das Leben festhalten. Das bedeutet nicht, mich ängstlich dran klammern, aber eben auch nicht es fahrenlassen- oder loslassen ... In dem Satz steht: das Leben festhalten.  Und wenn ich das „Fest-halten“ auseinandernehme, dann steht da es fest halten…es gut halten.

Das bedeutet für mich, ich nehme es zu mir heran, mach es zu meinem, weiß was mir wichtig ist. Mein Leben zerrinnt mir nicht zwischen den Fingern. Ist nicht beliebig, sondern kostbar.

Gleichzeitig kommt „mit den offenen Armen“ eine Haltung zum Ausdruck.

Eine Haltung die bereit ist, dieses Leben in Empfang zu nehmen. Es mir immer wieder neu schenken zu lassen. Mich auf das einzulassen, was Gott mit mir vorhat. Neugierig zu bleiben. Das, was auf mich zukommt, willkommen heißen. Vielleicht nicht immer freudig, aber offen für Neues.

Wenn ich mein Leben gut zu mir herannehme, dann spür ich vielleicht auch, wann es Zeit ist etwas loszulassen. Weil es nicht mehr so wichtig ist oder nicht mehr zu mir passt. Einfach nicht mehr das Meine ist.

Ein gutes Beispiel ist für mich dabei, die Erfahrung älter zu werden. Nicht mehr zwanzig zu sein auch nicht mehr dreißig, sondern Mitte fünfzig. Ich spüre seit einiger Zeit sehr deutlich, dass ich nicht mehr ganz so flink bin und weitaus weniger mutig wenn es um sportliche Aktionen geht. Auch meine Spannkraft lässt nach.  Das hat mich anfangs schon nachdenklich gemacht, mich auch verunsichert. Mittlerweile kann ich dieser ruhigeren Gangart durchaus etwas abgewinnen. Und ich brauche diese Momente immer mehr, in denen ich bewusst innehalte und einfach nichts tue. Zeiten in denen ich mein Leben – das, was für mich wesentlich ist, oder Leben überhaupt ausmacht - gut zu mir herannehme, es festhalte. Um dann auch wieder die Arme weit ausbreiten zu können, für das, was da noch kommen mag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31512
weiterlesen...