Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23JUL2020
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Manchmal ist es ein Segen, wenn wir Grenzen überspringen können. Grenzen sind ja oft gut und lebensdienlich. Aber manchmal machen sie auch kreuzunglücklich. Und dann ist es ein Segen, Grenzen zu überschreiten.

Anton hat so einen Schritt gemacht.  Mit 40 hat er sich durchgerungen, nicht mehr Anton sondern Maria zu sein. Vorher hatte er nicht den Mut dazu. Weil er die Menschen nicht verletzen wollte, die ihm so sehr am Herzen liegen. Aber vielleicht erzähl ich der Reihe nach, was ich von Anton weiß.

Er ist geboren und groß geworden als Junge. Zu den Eltern hatte er kein gutes Verhältnis, umso mehr zu seinen Großeltern. Sie haben ihn großgezogen als ihren weiteren Sohn. Beim Großwerden hat Anton gespürt: ich bin mir fremd als Mann. Ich empfinde und fühle mich viel mehr weiblich. In dieser Männerhaut bin ich nicht ich selbst. Je erwachsener er geworden ist, umso sicherer ist er darin geworden. Aber den Schritt zum Frausein vollziehen, konnte er nicht. Es gab diese eine Grenze, die das nicht erlaubt hat. Die Großeltern. Sie sind einfache und religiös eher konservative Leute. Ihre Religion hat sie getragen im Leben. Anton hat gewusst: ‚Für meine Großeltern ist klar, Gott hat uns geschaffen als Mann oder Frau. Diese Bestimmung lässt sich nicht einfach überspringen. Sie werden es nicht verstehen und nicht akzeptieren können, dass ich da raus muss. Ich kann also nur in der Familie zu Hause sein, oder in mir. Beides geht nicht. In diesem Dilemma hat Anton gelebt.

Bis er 40 war. Da hat er sich entschieden: ‚Ich fühle als Frau, ich bin eine Frau und möchte leben als Frau. In mir zu Hause sein. Ich glaube, Gott wird mich verstehen.‘ Er hat sich in der Familie offenbart. Ich werde nicht mehr Anton sein, sondern Maria.

Ich stell mir das vor. Wie das wohl ist für Eltern oder die Großeltern. Bricht ihre Welt zusammen, weil die Grenzen, die die Welt halten, einfach wegbrechen.
Wie sieht man den Menschen, der einem so lange vertraut war? Wird er einem fremd? Muss man sich von ihm distanzieren? Damit man die eigene Welt erhalten kann?

Antons Großeltern haben ihn sehr überrascht. „Das habe ich schon lange geahnt!“ hat der Opa gesagt. Und die Oma: „Du bleibst doch immer mein Kind.“ Und dann hat sie Maria in die Arme genommen.

Gut, dass die beiden so viel Liebe hatten. Um diese Grenze zu überspringen. Ich glaube, ihnen hat geholfen, was ich ja auch glaube. Gott liebt uns nicht, weil wir Mann oder Frau sind oder wer immer. Er liebt Sie und mich als Mensch.

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