Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18JUL2020
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Wir sind in einer Zeitenwende. Die USA sind nicht mehr die USA, die wir seit dem Ende des zweiten Weltkriegs gekannt haben. Und China nicht mehr das China, das sich seit Jahrzehnten abgeschottet hat. Europa muss seinen Platz in diesem neuen Weltgefüge erst noch finden. Dazu muss es sich aber endlich mal selbst finden. Als wirkliche Gemeinschaft und nicht als die Summe von nationalen Einzelinteressen. Die Wirtschaftskrise in der wir uns gerade befinden ist auch eine Chance. Eine Chance für eine neue, andere Art von Wirtschaft. Denn wenn nicht jetzt wann dann gäbe es die Möglichkeit, neue Wege zu gehen? Zum Beispiel in Richtung einer Wirtschaft, in der nicht mehr der Profit das oberste Ziel ist, sondern das Gemeinwohl.
Wie das gehen soll und konkret aussehen? Christian Felber, der Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie, beschreibt das in seinen Büchern und Vorträgen. Eine neue Wirtschaftsweise bei der alle Aktivitäten auf das Gemeinwohl als höchstes und letztes Ziel ausgerichtet sind. Konkret heißt das, im Umgang mit den Beschäftigten die Menschenwürde zu achten, gerechte Löhne zu zahlen, innerhalb der Belegschaft solidarisch und demokratisch zu sein und nachhaltig zu produzieren. Ziel ist also nicht mehr der größtmögliche Profit, sondern ein gutes Leben für alle auf einem intakten Planeten.

Ja klar, ich hör‘ sie schon die Stimmen: zu schön um wahr zu sein. So ist der Mensch nicht, und die Realität schon gar nicht. Stimmt und stimmt doch auch nicht. Denn europaweit gibt es bereits 2800 Unternehmen, die gemeinwohlorientiert wirtschaften und das in einer Bilanz nachweisen.

Und es wäre wirklich zu schön um wahr zu sein, wenn die Wirtschaftskrise als Chance genommen würde, sich in eine Richtung zu entwickeln, wie sie Christian Felber beschrieben hat, als er gefragt wurde, wie er sich die Wirtschaft in 50 Jahren vorstellt:

„Die Vision ist, dass Wirtschaften keinen Schaden mehr anrichtet. Nirgendwo auf der Welt werden mehr die Menschenrechte verletzt. Arbeit ist sinnvoll, und niemand verdient weniger als er oder sie zu einem guten Leben braucht. Das Klima und die Artenvielfalt sind stabil. Wir haben eine Natur, in der wir uns tiefer erholen können als heute, Flüsse sind trinkbar. Und das alles, weil die Wirtschaft ihren Erfolg eben nicht mehr einseitig an finanziellen Kennzahlen abliest.“

  

Quelle: Schwäbisches Tagblatt Tübingen, Dienstag, 24. September 2019, Lokalteil, Artikel „Ein gutes Leben für alle“ von Moritz Hagemann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31298
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