Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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03JUL2020
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Gottesdienste zu feiern ist derzeit schwierig. Für etliche Christen ist das ein großes Problem, für einige das größte, das sie haben. Wenn Gottesdienste überhaupt stattfinden, lassen die durch Corona bedingten Auflagen kein echtes Gemeinschaftsgefühl aufkommen. Sitzen auf Abstand und mit Mundschutz, kein Gesang, Kommunion mit der Zange. Das ist für eine würdige Feier wenig erbaulich. Aber es geht schon irgendwie. Was mich allerdings wundert und manchmal auch ärgert: Für viele scheint es tatsächlich das Einzige zu sein, wenn sie an Kirche denken oder ihren Glauben leben.

Dabei ist Gottesdienst doch viel mehr als die Versammlung am Sonntag in einem Kirchenraum. Ich denke, wer Gottesdienst sagt, sollte stets in zwei Richtungen denken: Wie kann ich Gott einen guten Dienst erweisen, weil ich ihm dankbar bin, weil ich zu ihm gehören will? Wichtiger aber könnte diese Frage sein: Wie wird es möglich, dass Gott an mir einen Dienst tut, an anderen, an der ganzen Menschheit und der Schöpfung überhaupt? Ich möchte dabei viel grundsätzlicher denken, als nur an die eine Stunde am Sonntag in der Kirche. Ein Gottes-Dienst kann dann ständig und überall stattfinden. Die junge Frau, die für ihre alte Mutter die Einkäufe erledigt. Die Altenpflegerin, die täglich ihrer Arbeit nachgeht. Was sie tun, ist auch Gottesdienst. Wenn einer, der weiß, dass er die letzten Wochen seines Lebens vor sich hat, nicht allein bleibt, wenn die Nachbarn kommen, wenn die meiste Zeit jemand bei ihm ist, der seine Hand hält, wenn’s drauf ankommt. Das ist Gottesdienst. Überall ist das so, wo eine oder einer etwas tut, und man dann merkt: Das hätte Gott gewollt, das ist ganz in seinem Sinn.

Wer dazu einen Beleg sucht, wird in der Bibel schnell fündig. Jesus hat am Sabbat Kranke geheilt, obwohl dieser Tag für das Feiern in der Synagoge reserviert war. Er hat es für falsch gehalten, das so einseitig zu sehen. Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.[1]So hat Jesus Gott verstanden und den Dienst Gottes. Bei Jesaja, dem großen Propheten des Alten Testaments, klingt das noch viel schroffer: Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht (…) Lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht! Schreitet ein gegen den Unterdrücker …[2]

Diese Worte sind allen ins Stammbuch geschrieben, die danach rufen, dass bei den Feiern in der Kirche doch wieder alles so sein möge wie früher. Gottesdienst ist viel mehr.

 

[1]vgl. Mk 2,27

[2]Jes 1,15-17

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31196
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