Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18JUN2020
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„Ein Paar das nicht miteinander spricht, verlernt sich kennen“.

Dieser Satz eines Paartherapeuten* ist weit mehr als ein gutes Wortspiel. Denn so wie man sich durch das Miteinander Reden kennen lernen kann, so kann man sich zu kennen verlernen, sich also fremd werden, wenn man nicht miteinander spricht. Und das ist weiß Gott keine Seltenheit. Es gibt Untersuchungen, die behaupten, dass Paare pro Tag ganze 8 Minuten miteinander reden. Ob das nun stimmt und was auch immer miteinander reden heißt, feststeht, dass zu viele Paare, die schon länger zusammen sind, zu wenig miteinander sprechen. Und wenn sie miteinander sprechen, ist es oft nicht mehr als ein Austausch zur Alltagsorganisation oder die Information über die Kinder. Neben dieser Sprachlosigkeit gibt es noch zwei weitere Gründe, die es Paaren unmöglich machen, miteinander zu reden. Zum einen die Erschöpfung durch Beruf, Alltag, Haushalt und Kinder. Zum anderen die Sprachlosigkeit durch die Medien. Wenn fast nur noch die Medien sprechen, auf all ihren Oberflächen, dann geht das Reden von Angesicht zu Angesicht immer mehr verloren. Und zuletzt verschwindet mit dem Miteinander Reden auch die Erotik. Das ist aber kein Naturgesetz. Es muss nicht so sein, dass mit den Jahren den Paaren die Anziehung verloren geht. Die Qualität jeder Paarbeziehung steht und fällt mit dem Reden miteinander. Dem wirklichen Reden. Und was heißt wirkliches Reden? Und wie kann das gehen?

Zu allererst, dass man sich Zeit füreinander nimmt, mindestens einmal die Woche. Zu einem Spaziergang oder einem Glas miteinander. Mit so viel Zeit, dass jeder darüber reden kann, was ihn beschäftigt. Mit so viel Zeit, dass man sich auf sich selbst besinnen kann. Denn nur wenn ich einigermaßen bei mir bin, kann ich auch dem Anderen gut zuhören. Das heißt: Dem nachspüren was er sagt. Antworten geben, Rückmeldungen oder Rat, aber nur wenn ich darum gebeten werde.
Und so kann man allmählich wieder zu dem kommen, was eine gute Beziehung ausmacht. In der geteiltes Leid zu halbem Leid wird und geteilte Freude zu doppelter Freude. Denn dass wir miteinander reden macht uns zu Menschen. Und dann es ist auch überhaupt kein Wunder, wenn mit dem richtigen Reden auch die Erotik zurückkommt. Weil das Reden die Seele öffnet und die Seele den Leib.

 

* Quelle: Michael Lukas Moeller „Die Wahrheit beginnt zu zweit – Das Paar im Gespräch“, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2019, S. 35f.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31076
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