Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13JUN2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute ist der Tag der Nähmaschine. Bis vor einigen Wochen hätte ich bei dieser Nachricht mit den Schultern gezuckt und gedacht: Was soll das? Inzwischen sehe ich das anders.

Vor Ostern hat mich nämlich ein Notruf aus einem Krankenhaus erreicht. Die Schutzmasken waren knapp. Nicht diese Spezialmasken für Corona und andere Infektionen. Nein, die einfachen wurden gebraucht. Die, die man auch selbst nähen kann. Material dafür war da, das hatte eine Firma zur Verfügung gestellt. Jetzt wurden Menschen gesucht, die helfen, indem sie für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Krankenhaus Masken nähen.

Ich habe ein paar Leuten Bescheid gegeben und sie gebeten, den Aufruf weiterzugeben. Auf der Homepage unserer Gemeinde haben wir ihn auch veröffentlicht und bald war der Aufruf in den sozialen Netzwerken unterwegs. Ich hatte gehofft, dass sich vielleicht 15, 20 Leute melden, die nähen können und gern mithelfen würden. Damit lag ich völlig daneben. So etwa bei der 250sten Antwort habe ich aufgehört, mitzuzählen. Eine Jugendliche hat sich gemeldet: „Ich mache mit. Meine Oma auch.“ Eine Nähgruppe für Flüchtlinge hat gleich losgelegt – sie wollten etwas zurückgeben von der Hilfe, die sie selbst bekommen haben. Und eine Frau, deren Schwiegervater vor ein paar Monaten in diesem Krankenhaus gelegen hatte. Über Tage hinweg haben sich ständig Leute gemeldet, die mitmachen wollten. Ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen.

Dann hat eine ältere Dame angerufen und gesagt: „Viel kann ich nicht mehr machen. Aber nähen kann ich. Ich freu mich, wenn ich anderen damit helfen kann.“ Das Telefonat mit ihr hat mich beeindruckt. Sie will das, was sie kann, für andere einsetzen.

Im Neuen Testament habe ich den Satz gelesen: „Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat. So erweist ihr euch als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes.“ Bisher hatte ich dabei nie an Nähmaschinen gedacht. Aber jetzt schon. Nähen als eine Gottes-Gabe.

Das Krankenhaus hat übrigens so viele selbstgenähte Mundschutz-Masken bekommen, dass sie auch noch Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen in der Umgebung mitversorgen konnten. Eine Hilfe also für Menschen, die auf ihre Weise anderen dienen – mit der Gabe, die sie erhalten haben. Ich glaube, jeder Mensch hat so eine Gabe. Welche haben Sie?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31036
weiterlesen...