Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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03JUN2020
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Vor einigen Wochen ging ein Foto aus der Lombardei um die Welt. Es zeigt eine Krankenschwester in voller Montur. Sie kauert, wie ein Häufchen Elend in sich zusammengesunken, am Boden. Die Hände vorm Visier, weint sie vermutlich fassungslos. Eine ähnlich vermummte Gestalt – ob Mann oder Frau ist gar nicht erkennbar – neigt sich der Gebeugten zu, reicht ihr die Hand und sucht sie aufzurichten. 

Das Bild trieb mir Tränen des Mitleids in die Augen. Was mag diese Frau gesehen und erfahren haben? Vielleicht ist soeben einer ihrer Corona-Patienten gestorben. Vielleicht beweint sie die Hilflosigkeit der Helfer. Auf jeden Fall ist sie unendlich erschöpft – so wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, die sich im Kampf gegen das tödliche Virus verausgaben. 

Wie tröstlich, dass diese Frau in ihrer Not nicht alleine bleibt, dass sich da jemand erbarmt, der vielleicht selbst auch fast am Ende ist. Dass sich ihr eine helfende Hand entgegenstreckt. Vielleicht trifft sie gar auf ein ermunterndes Lächeln, schwer erkennbar hinterm schützenden Glas. Liebe durchdringt auch einen Schutzanzug.

Dieses Foto aus dem Cremona-Hospital bildet gegenwärtig das Schicksal der  Menschheit ab. Ein Virus zwingt sie in die Knie. Alle müssen wir erfahren, wie gefährdet und verletzlich wir sind. Aber auch, dass wir einander mit neuen Augen sehen und empfindsamer füreinander geworden sind. 

Diese Empfindsamkeit sollten wir uns auch nach Corona bewahren. Nichts braucht die Menschheit jetzt dringlicher, als eine neue „Kultur der Barmherzigkeit“, mahnt Papst Franziskus. 

Barmherzigkeit ist der Kern der christlichen Botschaft, die Antwort der Menschen auf das göttliche Erbarmen. Jesus gibt den Barmherzigen die tröstliche Zusage: Wer barmherzig ist, wird selbst Barmherzigkeit erfahren – hier auf Erden und in der zukünftigen Welt bei Gott (Matthäus-Evangelium 5,7).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30998
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