SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

01JUN2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich reibe mir verwundert die Augen und bin erstmal verwirrt. So könnte es manchem gehen, der heute am katholischen Gottesdienst teilnimmt. Dort wird ein Abschnitt aus dem Johannesevangelium gelesen. Und zwar aus den sogenannten Abschiedsreden. Jesus bereitet seine Jünger auf die „Zeit danach“ vor. Ohne ihn an ihrer Seite. Und der Evangelist Johannes legt Jesus dazu eine kunstvoll komponierte Rede in den Mund. Hauptthema: Was bleibt, wenn ich einmal nicht mehr bei euch sein werde. Die Antwort: Der Geist der Wahrheit. Über diesen Geist philosophiert Jesus hin und her. Aber so verwirrend und geheimnisvoll, dass mir hinterher der Kopf schwirrt. Das hört sich so an:

Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört,und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.

Und nun? Was ist nun dieser Geist? Und wo ist die Wahrheit dabei? Von der Wahrheit zu sprechen, ist immer eine vertrackte Angelegenheit. Viele nehmen sie für sich in Anspruch und sprechen sie anderen ab, gerade in religiösen Dingen. Aber wer könnte schon von sich behaupten, sie vollkommen zu haben - ohne Irrtum, ohne Fehler? Kein Mensch kann das. Kein Wissenschaftler. Keine Institution. Auch die Kirche nicht. Nur Gott. Weil er alles in allem ist. Der Absolute. Das höchste Gute. Die Wahrheit in Person.

Wer die Wahrheit finden will, muss Gott ergründen. Mit all seiner Vernunft, mit ganzer Kraft. Wer mit Gott nicht rechnet, kann auch die Wahrheit nicht finden. Wer davon ausgeht, dass es Gott gibt, muss ihn bei jeder Frage einkalkulieren. Und unentwegt prüfen: Kann das, was ich für wahr halte, mit dem zusammenpassen, wie Gott sich die Welt gedacht hat. Das ist - zugegebenermaßen - noch immer sehr vage. Es braucht nach wie vor die Verständigung mit anderen, den Austausch. Um die Wahrheit muss auch gerungen werden, wenn man Gott mit ins Spiel bringt. Johannes wird nur in einem Punkt genauer. Der göttliche Wahrheitsgeist wird Jesus verherrlichen, sagt er. Für mich heißt das: Die Wahrheit finde ich, wenn ich mich an Jesus orientiere: wie er gelebt hat, was ihm wichtig war, dass er geliebt hat bis in den Tod.

Die Wahrheit in (der) Liebe. Das ist eine schöne Formel - für Pfingsten, finde ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30989
weiterlesen...