Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25APR2020
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Von Albert Camus stammt der Satz: „Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt“.

Camus nehme ich diesen Satz ab. Denn er hat am eigenen Leib erfahren, was „Winter“ heißt. Im übertragenen Sinn. Als er noch ein Baby ist, stirbt sein Vater im ersten Weltkrieg. Die Mutter verstummt, er wächst in ärmlichen Verhältnissen unter Analphabeten in Algier auf...später erkrankt er zweimal schwer an TB, kämpft gegen die Krankheit und wird geheilt. Er hat viel Elend gesehen und erlebt - auch im Zweiten Weltkrieg und während der Algerienkriege. Und doch lässt er sich nicht unterkriegen. Er engagiert sich im Widerstand. Und er bleibt auch widerständig in seinem Denken. Obwohl er so viel Schweres und Trauriges erlebt hat, ist er nicht bitter. Wird er nicht müde an das Gute im Menschen und das Schöne im Leben zu glauben. Und darüber zu schreiben. Sein fast trotziges „Quand-meme“ / „Trotzdem“ hat mir schon während meiner Schulzeit imponiert. Albert Camus besteht darauf: Allen Unkenrufen zum Trotz kann der Mensch gut sein, kann er sich entscheiden, ob er menschlich bleibt oder zum Raubtier wird.  

Der Mensch kann immer wieder neu anfangen, er muss nicht aufgeben, selbst wenn es absurd erscheint, wie die buchstäbliche Sisyphusarbeit.

„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“  Der Sommer steht für das, was bunt und schön, warm und lebendig ist. Und der unbesiegbare Sommer? Ja, da ist etwas in uns Menschen, -   auch in mir von dieser Widerstandskraft-  ein unbändiger Wille zu überleben, zu leben. Die Psychologen nennen das Resilienz, eine Fähigkeit die mir hilft, Krisen durchzustehen und daran zu glauben, dass es immer weiter geht und manches was ich mir heute noch gar nicht vorstellen kann, sich zum Guten wendet.

Dabei hilft mir oft ohne Worte die Natur. Und ermutigt mich heute ein Gedicht, das ein lieber Freund mir geschickt hat.

Es heißt passenderweise Zeitansage:

wir gehen in den Frühling

mag kommen was da will

schon der kleinste ginster

in seinem blütengold

              und würde er

              nur von dir gesehen

leuchtet über die dunkelzeit

einsamer tage voll sorge

wie es weiter gehen kann

 

hinter dem zaun auf der wiese

fängt mit bunten flecken

der sommer an ohne rücksicht

auf das versammlungsverbot

denn trotz kalter morgenluft

tobt die frühe revolution

das vielstimmige konzert

erwachter vögel

 

(wilhelm bruners 3/20)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30738
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