Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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20APR2020
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„Wenn ich gehe, geht’s“, hat mir vor vielen Jahren meine Tante im Kloster geantwortet. Ich hatte sie gefragt, wie sie denn ihr Leben auf so beengtem Raum meistert. Sie lebt allein in einem kleinen Zimmer, mit ihren Mitschwestern hinter weitläufigen Klostermauern - das seit über 60 Jahren und sie ist dabei fröhlich und fidel.

An sie und ihr „Rezept“ musste ich in den letzten Tagen immer wieder denken, in denen auch mein Bewegungsradius kleiner geworden ist.

Gut, sie hat dieses Leben an diesem festen Ort auf engem Raum selbst gewählt. Niemand hat sie dazu gezwungen, ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken und sie kommt gut damit zurecht, indem sie sich bewegt, soweit das möglich ist. Letzte Woche haben wir miteinander telefoniert und sie hat mich einmal mehr ermutigt, möglichst viel zu gehen, gerade jetzt.

„Weißt du, wenn ich mit etwas nicht weiterkomme, gedanklich blockiert bin, nicht weiß, wie ich einen Konflikt lösen oder mein Arbeitspensum bewältigen soll, dann hilft nur eins: Laufen, laufen, laufen – wenn möglich an der frischen Luft. Dabei spüre ich deutlich: wenn ich gehe, geht´s. Da kommt auch etwas in mir in Bewegung und manches Problem scheint sich wie von selbst zu lösen, wenn ich es im wahrsten Sinne des Wortes nur angehe.“

Und - so meinte Sie schmunzelnd durchs Telefon weiter - sie wisse sich mit ihrer Lauferei ja in bester Gesellschaft: Sei doch der Herr Jesus auch viele Wege gegangen von Nazareth nach Kafarnaum, vom See Genezareth nach Jerusalem. Und sie sei überzeugt, manch eines seiner klugen Gleichnisse und manche Lösung für eine Streitfrage sei ihm beim Gehen gekommen. Auch manchen Frust hat er sich vermutlich rauslaufen müssen, sinniert sie weiter, und Kraft tanken in der Natur für manchen schweren Gang.

Mir hat das Telefonat mit meiner Kloster-Tante gut getan. Ihre Strategie hilft auch mir. Wenn ich nur zu Hause sitze, macht mich das ganz kribbelig. Ich ertappe mich dabei, wie ich am Schreibtisch nur Papier hin und her schiebe. Das ist unbefriedigend und lähmt. Deshalb nix wie raus. Auch bei mir löst sich etwas, wenn ich gehe: Meine innere Unruhe, das was mich gerade ängstlich und verspannt sein lässt – auch das, wo ich auf der Stelle trete, kommt dann mit mir in Bewegung. Deshalb versuche ich mich jeden Tag zu einem kleinen Spaziergang aufzuraffen. Das was mich besorgt mit auf den Weg und unter die Füße zu nehmen und gleichzeitig die Augen offen zu halten für all das Schöne, das sich mir draußen in der Natur zeigt. Und das ist ja momentan recht üppig.

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