Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09APR2020
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Heute ist Gründonnerstag. Heute fällt es mir schwer, dass ich keinen Gottesdienst mit anderen zusammen feiern kann. Weil zum katholischen Gottesdienst an diesem Tag etwas gehört, das einmalig ist. Nur an Gründonnerstag gibt es den Ritus der Fußwaschung. Er geht zurück auf eine Überlieferung aus dem Johannesevangelium[1]. Dort wird berichtet, dass Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen habe. Es ist eine Geste der Demut, des Respekts voreinander. Und sie bekommt zusätzliches Gewicht dadurch, dass es eben der Oberste ist, der allen anderen die Füße wäscht. Um seine Einstellung zu unterstreichen, die er immer wieder betont hat:Die Ersten werden die Letzten sein, die Letzten die Ersten[2]. Jesus stellt die eingespielten zwischenmenschlichen Verhältnisse auf den Kopf. Nicht zum Spaß. Er will, dass wir nachdenken, wie wir unsere Welt eingeteilt haben. In oben und unten. Und dass es nicht immer so sein muss. Dass es anders besser sein könnte, gerechter zumal.

Für mich ist es immer eine besondere Erfahrung gewesen, dass ich zwölf Menschen an diesem Abend die Füße waschen durfte. Ich habe es so empfunden, dass dieses Zeichen besonders gut zum Priester passt. Mehr als alles andere, was Priester tun, was zum Teil ausschließlich ihnen vorbehalten ist. Beichte zu hören, einen Kranken zu salben, die Heilige Messe zu feiern. Das ist etwas Erhabenes und Großes. Aber: Sich vor anderen auf den harten Boden zu knien und ihre Füße zu waschen. Das passt für mich besser zu einem, der dazu da ist, von Jesus zu sprechen und seine Einstellung in die Tat umzusetzen. Es hat mich jedenfalls immer sehr berührt, dass ich die zwölf Personen so berühren durfte: Frauen und Männer, Kinder und Alte, Ungetaufte, Kranke, Einsame. Ich habe ein bisschen darauf geachtet, besonders solche auszuwählen von denen ich wusste, dass es ihnen gut tun würde, diese Geste zu empfangen, dass es womöglich sogar einen Schmerz lindern oder eine Wunde heilen könnte.

Heute kann ich das nicht tun. Wegen Corona. Das ist traurig. Aber ich habe mir eine Alternative überlegt, wie ich Menschen nahe sein kann, ohne sie hautnah berühren zu können. Ich werde im Laufe des Tages zwölf Menschen anrufen. Zwölf von denen ich denke, dass sie allein sind oder traurig oder ängstlich. Ich werde versuchen gut zuzuhören, wenig selbst zu sprechen. Und hoffe, dass es für die eine oder den anderen zu so etwas wie einer Fußwaschung der anderen Art wird.

 

[1]Joh 13,1-15

[2]Mt 20,18

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30655
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