Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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06APR2020
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Der Egoismus des Menschen treibt manchmal hässliche Blüten. Das Corona-Virus jedenfalls scheint sich nicht nur auf die körperliche Gesundheit auszuwirken. Es befördert bei manchen die krankhafte Gier nach Profit. Atemschutzmasken zum Beispiel kosten bis zu 30 Mal mehr als vor der Krise. Sie sind knapp und nur sehr schwer zu beschaffen, werden aber dringend benötigt. Aus dieser Not nun Kapital schlagen zu wollen, auf Kosten der Ärzte und Krankenschwestern, die ohnehin ein hohes Risiko tragen, das ist krank und gefährlich.

Gier wird in dieser wie in allen Krisen nichts Gutes bewirken. Sondern die Kräfte schwächen, die wir dringend für anderes brauchen. Kraft für andere und mich selbst, damit wir so heil wie möglich durch diese Zeit kommen. In der ich mich um meine Mutter sorge und andere ältere Menschen, die ich kenne. Ich mache mir Gedanken, ob ich mich selbst infiziere. Und Angst macht mir auch der Gedanke, ob der Ausnahmezustand über Ostern hinaus dauern wird. Und wie lange die durchhalten, die jetzt besonders viel zu tun haben; und wie lange die anderen, die gerne arbeiten würden und es nicht dürfen. Um mit diesen Fragen zurechtzukommen, brauchen wir alle mehr, als wir haben und sind.

Links und rechts in meiner Nachbarschaft wohnen Familien mit Kindern. Wir haben einen guten Draht zueinander. Das zu wissen, tut schon gut. Wir halten brav den Abstand ein, der vorgeschrieben ist, weil wir kein Risiko für andere sein wollen. Aber umso mehr freuen wir uns, wenn wir uns am Fenster sehen. Wir winken uns im Garten zu. Und hin und wieder verabreden wir uns abends, machen die Fenster auf oder stehen auf dem Balkon. Meistens erzählen wir einander, wie’s uns geht. Wir fragen, ob wir dem anderen bei etwas helfen können. Ob die Nerven manchmal blank liegen, weil es den Kindern langweilig wird. Für Ostern planen wir eine kleine Feier. Wenn’s schon einen Pfarrer in der Nachbarschaft gibt. Auf Abstand, versteht sich. Mit Osterfeuer und Kerzen, mit einem Text aus der Bibel und einem Lied, das von der Auferstehung singt. Jetzt in dieser schwierigen Zeit merke ich viel mehr als sonst, wie wertvoll diese kleinen Dinge zwischen uns sind. Wie wichtig andere für mich sind. Und wie falsch und blauäugig es ist zu denken, ich käme allein über die Runden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30652
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