Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30MRZ2020
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Beim Händewaschen soll man „Bruder Jakob“ singen. Zweimal. Dann kann man sicher sein, dass die Seife die krankmachenden Viren weggewaschen hat. Gute Idee, fand ich. Hilft sicher, es richtig und gründlich zu machen, besonders den Kindern.

Jetzt hat mich die Stuttgarter Prälatin auf eine andere Idee gebracht: Man könnte auch bei jedem Händewaschen das Vaterunser beten. Das dauert auch 30 Sekunden und wahrscheinlich kennen es genauso viele Menschen wie „Bruder Jakob“.

Das Vaterunser also um die Zeit abzumessen. Diese Idee gab es schon immer. Früher hat man Backrezepte so beschrieben. Zum Beispiel: Milch einrühren 3 Vaterunser, damit es keine Klumpen gibt. Oder: Teig kneten 5 Vaterunser lang. Meine Tanten kannten das noch. Und ich finde es eigentlich irgendwie charmant. Ein Gebet bemisst die Zeit, drückt ihr sozusagen den Stempel auf. Mir gefällt der Gedanke.

Natürlich können sie jetzt sagen: Was für ein Blödsinn - als ob ein Gebet mich vor Ansteckung schützen könnte. Kann es natürlich nicht. Trotzdem finde ich die Idee, beim Händewaschen das Vaterunser zu beten gut.

Weil es medizinisch empfohlen ist, 30 Sekunden die Hände zu waschen. Und wie soll ich wissen, wie lang 30 Sekunden sind?
Weil mir das Vaterunser erwachsener vorkommt, als „Bruder Jakob“ zu singen.

Und 3., weil Beten beruhigt, viele jedenfalls. Wer betet – egal ob als Jude oder Christ, als Muslim oder Buddhist – wer betet vertraut sich einem anderen an: Gott. Wer betet spricht sich aus und spürt Nähe. Das sagen viele, die regelmäßig oder jedenfalls in Krisenzeiten wie jetzt beten.

„Bleiben Sie gesund!“ ist im Augenblick der neue Gruß, statt Auf Wiedersehen. Ich meine nicht, dass alle gesund bleiben werden, die beten. Wer betet, kann auch nicht sicher sein, gesund zu bleiben. Beten macht ja nicht immun. Aber viel wichtiger ist ja doch, dass wir behütet bleiben. Behütet vor übermäßiger Sorge und Panik. Behütet vor Einsamkeit und dem Gefühl, niemand ist für mich da.

Ich bete deshalb im Vaterunser „dein Wille geschehe“ und verlasse mich darauf: Gott will, dass Menschen behütet bleiben. Neulich hat mir jemand gesagt: Diese Krankheit ist jetzt die Strafe Gottes. Genau das stimmt nicht. Gott behütet seine Geschöpfe. Nicht immer vor Krankheit. Aber vor Verzweiflung und Panik. Und auch vor Eigensucht und Egoismus. Denn vieles können wir jetzt brauchen. Aber Egoismus bestimmt nicht.

Deshalb probiere ich das jetzt mit dem Vaterunser. Bleiben sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30611
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