Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25FEB2020
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In eine Maske zu schlüpfen, ist ein teuflisches Vergnügen. Ich habe es als Rottweiler Narr öfter genossen. Sorgsam verbirgt man im Narrenkleid seine Identität, verstellt sogar die eigene Stimme und passt höllisch auf, dass einen die Bekannten nicht an Gang und Haltung erkennen. Die versuchen nämlich verzweifelt, ihr Gegenüber zu enttarnen. Umso mehr, als der Narr ihnen auch noch so manche Ungereimtheit aus ihrem Leben um die Ohren haut  – mit Liebe und Humor, versteht sich. 

Die Maskerade – ein schönes, aber auch gefährliches Spiel. Das kann schnell kippen. Wenn der Mensch sein wahres Gesicht verliert, ist er zu allem fähig. Bevorzugt greifen Kriminelle zu diesem probaten Mittel und vermummen sich. 

Heute am späten Abend findet der närrische Mummenschanz sein Ende. Masken und Kostüme verschwinden in Kästen und Truhen. Morgen stehen wir uns wieder „face to face“ gegenüber und blicken einander ins wahre Gesicht. 

In Gesichtern kann man lesen wie in einem offenen Buch. Manche wirken düster und in sich gekehrt – verfinstert durch Trauer oder Enttäuschung. Diesen Menschen wird man beim Wiedersehen nicht einfach polternd auf die Schulter hauen, sondern sie erst mal einfühlsam fragen, wie es ihnen geht. Andere Gesichter strahlen einem offen entgegen. In ihnen klingt vielleicht die Freude der närrischen Tage noch ein wenig nach. Das ist ansteckend. Wieder andere sind gezeichnet von Müdigkeit, den Schmerzen einer Krankheit oder einer leidvollen Geschichte. „Was im Herzen eines Menschen vorgeht, verändert sein Gesicht und macht es fröhlich oder traurig“, meint ein biblischer Weisheitslehrer (Jesus Sirach 13,25).  

Alle Gesichter, auch jene, die verschlossen wirken, wollen nur das eine: Nimm mich doch wahr, so wie ich bin – mit Falten und Runzeln! Oder etwas aufgehübscht mit Hilfe von Tiegelchen und Tupfern. Guck mich an! 

Ich mache immer wieder die Erfahrung: Wenn ich mein Gegenüber mit den Augen der Liebe betrachte, beginnt sein Gesicht zu leuchten. Das Licht der Liebe vermag auch finstere Mienen von innen heraus zu erhellen. Der Apostel Paulus glaubt sogar, dass sich im Antlitz eines Menschen „die Herrlichkeit Gottes“widerspiegeln kann (2. Brief an die Gemeinde in Korinth 3,18).

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