SWR1 Begegnungen

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23FEB2020
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Wolfgang Schumacher

Von der Kanzel in die Bütt

Peter Annweiler trifft Wolfgang Schumacher, Pfarrer und Pressesprecher der evangelischen Kirche in der Pfalz.

Er kann Kanzel und er kann Bütt. Und auf beiden hat er gelernt: Worte wirken. Dass er als Pfarrer und Pressesprecher der evangelischen Kirche der Pfalz oft seriös, fundiert und ernsthaft sprechen muss, ist für den 59jährigen kein Widerspruch zur spritzigen Rhetorik der Fastnacht. Als politischer Büttenredner hat der Kaiserslauterer schon viele Rollen ausgefüllt.

Also ich war mal Müllmann und hab den ganzen Dreck der Stadt aufgeräumt und Ich war als Schüler aufgetreten, der endlich mal seinen Lehrern Kontra bieten konnte. Zu Zeiten der Kohlschen Spendenaffäre war ich als Kofferträger unterwegs auf der Bühne – also immer wieder andere Figuren, die als Figuren einfach Bildmöglichkeiten geboten haben…

Denn starke Bilder und eine Prise Humor – die sind für Wolfgang Schumacher in einer politischen Büttenrede genauso wichtig wie in einer tiefsinnigen Predigt. Im Karneval ist es zu seinem Markenzeichen geworden, dass er ein aktuelles Geschehen in seinen politischen Dimensionen humorvoll aufgreift – und damit zeigt: Fastnacht ist viel mehr als ein privates Ausgelassensein.

Einfach mich auseinandersetzen immer schon mit aktuellen Themen, lokalpolitischen Themen und die in karnevalistischer Form auf die Bühne zu bringen. Die Inhalte auch im Angesicht von politisch Handelnden also vom Oberbürgermeister über Landtagsabgeordnete auch gleich an den Mann oder Frau zu bringen und ich glaub‘ , das war meine Form, mich ein bisschen in Politik einzumischen.

Traditionell kriegen die Politiker im Karneval „ihr Fett“ weg. Da übernehmen die Narren die Macht und nehmen die hohen Herren und Damen auf die Schippe, entlarven Besserwisserei und Eitelkeit. Die Narrenrolle hat für mich auch etwas Prophetisches: Sie regt zu einem Umdenken an. Der Narr ist überzeugt: Alles kann anders – und vielleicht sogar besser werden. Wolfgang Schumacher hat dabei aber auch eine Versuchung kennen gelernt.

Sowohl im realen Leben als auch im Faschingsleben sollte man nicht mit erhobenem Zeigefinger arbeiten: Also der Pfarrer, der alles besser weiß und sonntags von der Kanzel predigt oder der Redner im Karneval, der auch den Finger erhebt – und … ein bisschen wie ein Moralapostel wirkt – das halte ich für verzichtbar.

Besonders in der Fastnacht gilt ja eine Haltung, die „eigentlich“ immer gelten sollte – und die durch und durch christlich ist.

Durchs Leben gehen mit einem Lächeln im Gesicht – das finde ich ist für den Christen eigentlich die angemessene Haltung, weil eine schöne Zukunft uns erwartet und weil wir auch auf dieser Erde dazu da sind, die frohe Botschaft weiter zu geben.

Nicht immer schön lustig…

Im „Hauptberuf“ ist Wolfgang Schumacher Pfarrer und Pressesprecher der evangelischen Kirche in der Pfalz. In der „fünften Jahreszeit“ ist er durch sein Faible für die Fastnacht auch zum politischen Büttenredner geworden.

Ich bin in einer karnevalistischen Familie groß geworden, der Vater war ein „Erzkarnevalist“, war Chorleiter eines närrischen Chores, hat Büttenreden gehalten in einem Duo mit politischen, lokalpolitischen Themen, war Vizepräsident des örtlichen Karnevalvereins und vieles anders mehr. Und da wächst man so herein und geht als Kind mit auf den Kinderfasching…

Bei mir lag das so gar nicht in der Familie – aber heute bin ich gerne am Karnevalswochenende auf einer Sitzung oder beim „Zuch“ dabei. Für Wolfgang Schumacher ist es eher umgekehrt: Er hatte früh seine Freude daran, sich – auch im Verein – karnevalistisch zu engagieren. Und doch hat er damit vor einiger Zeit aufgehört.

In gewissem Turnus kommt wahrscheinlich gerade bei Karnevalsvereinen immer mal wieder Streit auf, vereinsintern - und irgendwann habe ich gemerkt: Ich werde in den Streit selber hinein gezogen und das war ein Punkt zu sagen: Das war’s.

Karneval scheint manchmal auch ein „ernstes Geschäft“ zu sein. Manchmal „menschelt“ es da ganz schön heftig: Da gibt es Streit um Auftritte, Posten oder Witze auf Kosten von Minderheiten.

Meine These ist, dass sich Narren oft ein bisschen zu wichtig nehmen. Also das, was sie anderen vorwerfen dann aber bei sich selber dann leben. Also ein bisschen Eitelkeit, ein bisschen Wichtigtuerei ist da immer dabei – und wenn man das durchschaut, kann man damit umgehen.

Das beeindruckt mich, wenn einer, der das Geschäft von innen kennt, die Größe hat, aufzuhören. Wolfgang Schumacher hat auf das Scheinwerferlicht der Bühne verzichtet.

Die Alternative ist, dass man nicht dem Motto folgt: Lieber einen guten Freund verlieren als eine gute Pointe, sondern dass man lieber die gute Pointe bei Seite lässt und den Freund nicht verärgert.

Es geht ja schließlich beim Karneval nicht um die Konkurrenz, sondern um die Gemeinschaft. Und in meinen Augen ist das in digitalen Zeiten das Wichtigste am fastnachtlichen Feiern: In fröhlicher Leichtigkeit leibhaftig gemeinsam lachen und in anderen Rollen unterwegs sein. Das hat mit der befreienden Leichtigkeit des Glaubens zu tun.

Ich finde, unabhängig von Konfessionen, dass Christsein eigentlich nur geht, wenn man das fröhlich lebt. Wir haben als Pfarrer, aber jeder auch in der Gemeinde jeder auch die frohe Botschaft weiter zu geben – und zu leben – und das heißt wirklich: Frohe Botschaft. Ich finde es immer schade, wenn ich griesgrämigen Gesichtern gegenüber sitze.

Und so kann es in diesen Tagen auch für Christenmenschen ein wirkungsvolles „Anti-Griesgram-Programm“ sein, wenn es nach dem Motto zugeht „Die „Hände zum Himmel“ und lasst uns fröhlich sein!“ - Ich wünsche Ihnen fröhliche nächste Tage!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30379
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