Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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19FEB2020
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In Fernsehkrimis wird viel gemordet. Meistens gleich am Anfang und oft dann auch zwischendrin noch mehrmals. Und dann wird aufgeklärt, wer es war, meistens erfolgreich. Am Schluss kann man zufrieden sein. Ich bin froh, dass die Polizei so tüchtig ist und die Täter eingesperrt werden.

Was ich komisch finde: Die Angehörigen von Toten spielen selten eine Rolle. Was ist mit ihrem Leid? Im FernsehKrimi kriegt man das Gefühl: Wenn nur die Tat aufgeklärt ist und die Täter gefasst sind, dann ist alles wieder gut. Aber stimmt das? Die Hinterbliebenen bleiben trotzdem fassungslos allein. Was kann sie trösten?

Die Tat ist aufgeklärt, jetzt sollen sie sich dem Leben wieder zuwenden. Trost kommt nicht vor. Mir ist das vor zwei Wochen beim Krimigucken aufgefallen. Da kam im Krimi eine Beerdigung vor. Am Ende hat der Fernsehpastor Hermann Hesse zitiert. Sein wunderbares Gedicht „Stufen“ Sie kennen das vielleicht. Vom Abschied ist die Rede, vom Aufbruch und von jedem Anfang, dem ein Zauber innewohnt.

Aufgefallen ist mir: Das Wort Abschied kam nicht vor, beim Pastor im Krimi. Bei ihm hieß es stattdessen gleich Aufbruch. Obwohl er das Gedicht angeblich wörtlich vorgetragen hat. „Abschied“, das war fürs Unterhaltungsprogramm am Abend wohl zu traurig. Also lieber den Abschied überspringen und gleich Aufbruch und Neubeginn.

Wer schon einmal einen lieben Menschen begraben musste, der weiß, dass das so nicht geht. Abschied tut weh – und es dauert oft lange, bis man sich dem Leben wieder zuwenden und aufbrechen kann. Manchmal gelingt es gar nicht.

Ich glaube: Man kann nur gut Abschied nehmen, wenn man weiß, wohin der andere geht. Dass er da gut aufgehoben ist, wo er hingeht. Dass er gewissermaßen eine gute Zukunft hat. Man kann nur gut Abschied nehmen, wenn man Hoffnung hat für den anderen. Wenn ich die Kinder losgehen lasse in den Kindergarten – das geht nur, wenn ich weiß: da sind sie gut aufgehoben. Als meine später aus dem Haus gegangen sind – da habe ich für sie gehofft, für ihre Pläne und ihre Zukunft. So kann man Abschied nehmen – auch wenn es weh tut.

Wir Christen glauben, dass die Toten bei Gott gut aufgehoben sind – keine Tränen mehr, kein Leid, kein Geschrei. Ich finde, das hilft, sie gehen zu lassen. Hermann Hesse übrigens hat das in seinem Gedicht auch gesagt: „Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegensenden, des Lebens Ruf an uns wird niemals enden“. Das hat der Pastor im Film auch verschwiegen. Schade eigentlich. Denn erst dann kann man mit Hermann Hesse sagen: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

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