Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11FEB2020
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Feuerwerk und Bleigießen, Raclette und „Dinner for one“ – so habe ich schon oft Silvester gefeiert. Doch letztes Jahr bin über den Jahreswechsel ins Kloster gefahren.

Am Silvestertag hat mir eine der Klosterschwestern eine Schachtel mit kleinen Zetteln hingehalten und gesagt: „Möchten Sie auch einen Heiligen ziehen, der Sie im kommenden Jahr begleitet?“ Hätte ich geahnt, wen ich ziehen würde, hätte ich mich vermutlich anders entschieden. Denn auf meinem Zettel stand „Bernadette Soubirous“. Ich muss sehr fragend ausgesehen haben, denn die Schwester kam sofort zu mir und meinte: Das ist die von Lourdes.

In meinem Kopf ging das Kopfkino los: Lourdeswasser abgefüllt in kleinen Fläschchen und kranke Menschen, die aus aller Welt an diesen Ort kommen und hoffen, geheilt zu werden. Mit dieser Art von Frömmigkeit habe ich es, ehrlich gesagt, schwer. Ein Heiliger wie St. Martin oder Nikolaus wäre mir lieber gewesen. Aber gut.

Zu Hause habe ich zuerst gegoogelt: Bernadette – geboren 1844 in Lourdes, einem Ort am Fuß der französischen Pyrenäen. Die Familie arm, sie selbst oft krank. Dass man sie bis heute kennt, liegt an den Erscheinungen, die sie hatte. Denn heute, vor über 160 Jahren, am 11. Februar 1858, begegnet die 14jährige Bernadette beim Holzsammeln im Wald einer Frau, die sagt, sie sei Maria. Und im folgenden halben Jahr hat sie immer wieder Visionen dieser Frau, die sie zu einer Quelle führt, deren Wasser Krankheiten heilt. Schon damals haben viele Bernadette für verrückt erklärt und dennoch wurde Lourdes schnell zu einem Wallfahrtsort, an den jedes Jahr mehrere Millionen Menschen kommen.

Hilfreich für mich sind aber nicht diese äußeren Daten, sondern die Gespräche, die ich seitdem über Lourdes geführt habe. Zum Beispiel mit einem Freund, der zu seiner Bundeswehr-Zeit an der Soldatenwallfahrt teilgenommen hat. Oder mit meiner Patentante, die seit vielen Jahren wegen Multipler Sklerose im Rollstuhl sitzt. Beide beschreiben Lourdes als einen Ort, an dem Menschen getröstet und gestärkt werden. Weil die, die krank sind, dort erfahren, dass sie nicht alleine mit ihrem Schicksal sind. Weil sie spüren, dass sie dort mehr sind als ihre Krankheit und mit ihrer Krankheit angenommen und ernst genommen werden. Und auch weil es dort viele gibt, die in ihrem Glauben an Gott gestärkt werden. Ein Glaube, der verspricht, dass Gott jedem Menschen zur Seite steht. Auch wenn er körperlich nicht gesund wird.

Bernadette ist mir immer noch ein bisschen fremd, aber ohne diesen Zettel an Silvester hätte es manche Gespräche über diese junge Frau, Lourdes und den Glauben nicht gegeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30317
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