SWR1 3vor8

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Heute mit Maria Meesters, Pastoralreferentin in Baden-Baden. Guten Morgen.

Jeder Tag hat seine Chance. So könnte man die Worte des Propheten Jeremia auf den Punkt bringen, die heute in vielen christlichen Kirchen gelesen werden. Jeder Tag hat seine Chance. Sagt er, damals um 600 vor Christus. Beziehungsweise er schreibt es, an seine Landsleute aus Israel, die aus ihrer Heimat verschleppt wurden. Sie sind im Exil in Babylon und sehen das alles ganz anders als er. Sie wollen aufgeben, die Hände in den Schoß legen. Hier sind wir nicht zu Hause. Hier wollen wir nicht sein. Was sollen wir uns engagieren? Wir versuchen einfach die Zeit zu überdauern, bis unsere Lebensumstände wieder besser sind. Oh nein, sagt der Prophet. Wartet nicht einfach ab, sondern baut Häuser, und wohnt darin, pflanzt Gärten, und esst ihre Früchte! ...Zeugt Söhne und Töchter...Ihr sollt euch dort vermehren und nicht vermindern....Und schließlich: Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl. (Vgl. Jeremia 29)
Ich muß bei diesen Worten unwillkürlich an die Menschen denken, die nach dem 2. Weltkrieg als Flüchtlinge oder Vertriebene nach Westdeutschland gekommen sind und hier eine eigene Existenz und auch gesellschaftlichen Wohlstand mit aufgebaut haben. Es hat sicher viel Kraft gekostet, sich auf diese aufgezwungene Situation einzulassen. Viele, nicht alle, haben sich dadurch neu beheimaten können und ihre Kinder und Enkel sind hier ganz zu Hause.
Was der Prophet Jeremia damals geschrieben hat, trifft mich aber auch im eigenen Leben. Ich kenne die Versuchung, auf bessere Zeiten zu warten. Wenn ich erst wieder gesund bin. Wenn erst Frühling ist. Wenn ich erst Urlaub habe. Wenn der unangenehme Kollege erst mal weg ist. Auf bessere Zeiten warten, um das Leben anzupacken und auch, um mich daran zu freuen.
Warum mich anstrengen in einer Situation, die ich nicht gewollt habe? Warum den schönen Augenblick genießen, wenn ich doch weiß, dass er vergeht?
Jeder Tag hat seine Chance. Beim Propheten Jeremia steht dahinter mehr als positives Denken. Er glaubt an die Treue Gottes. Daß Gott an jedem Ort und in allen Lebensumständen mit den Menschen verbunden ist. Und dass es deshalb immer Sinn hat, sich zu engagieren und – so füge ich hinzu - die Momente des Glücks zu genießen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3025
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