Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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28JAN2020
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Letztlich ist mir was sehr Schönes passiert. Nach einer Stadtführung in Hechingen, hatte sich das Stuttgarter Team der Katholischen Rundfunkarbeit in ein Lokal geflüchtet, weil es so kalt war an diesem Abend. Und wie es sich halt manchmal so ergibt, bekam ich den Platz direkt neben der Ausgangstür. Mist, dachte ich, jetzt geht es mit der Kälte grad so weiter. Und es war auch ein reges Kommen und Gehen, die Tür ging permanent auf und zu. Was mir aber erstaunlicherweise nichts ausgemacht hat. Im Gegenteil, es war eine so schöne wie seltene Erfahrung. Denn so kalt war es gar nicht, weil vor der Ausgangstür noch ein Flur war, der die größte Kälte abgehalten hat. Eine schöne Erfahrung war der Platz neben dem Ausgang aber vor allem deshalb, weil jeder Mensch der dieses Lokal betreten oder verlassen hat, mich freundlich gegrüßt hat. Das hab‘ ich so noch nie erlebt. Erst recht nicht in letzter Zeit.

Grüßen, dieser minimalste Ausdruck von guten Manieren ist zur Seltenheit geworden. Ich sitze im Flugzeug und jemand wuchtet sich in den Sitz neben mich ohne ein Wort, ohne einen Blick, und das wo man doch im Flieger so dermaßen eng nebeneinander sitzt. Auf der Straße, Menschen die einen flüchtig kennen gehen ohne ein „Muh“ oder ein „Mäh“ an einem vorbei. Oder sind bewusste „Zweitgrüßer“, das heißt, sie warten ab ob der andere zuerst grüßt und reagieren erst dann und das auch nur sehr kurz. Oder auch die Kinder: zu viele scheinen heute nicht mehr zu lernen, dass man Bekannte, Nachbarn oder ältere Menschen freundlich grüßt.

Was ist es nur, dass viele Menschen so unpersönlich, so anonym und auch unhöflich geworden sind? Natürlich gibt es den Unterschied zwischen Stadt und Land. Dass man in der Stadt nicht jeden grüßen kann, der an einem vorbeiläuft, ist klar. Und auch dass man sich auf dem Land, wo man sich noch kennt, eher grüßt. Und natürlich verhindern auch die allgegenwärtigen Handys diese Mindestform an Kontakt. Durch den gesenkten Blick oder die Ohrstöpsel, die den digitalen Menschen von seiner realen Umwelt abschotten. An dem Abend neben der Tür in Hechingen ist mir aufgefallen, wie viel wir verloren haben in unserem Alltag. Diesen wohltuenden Dreiklang von Wahrnehmung, Würdigung und Wertschätzung, den ein freundlicher Blick oder ein Gruß auslöst. Auch und gerade in der Fremde oder wenn Menschen sich fremd sind. Es kostet doch nichts und tut auch nichts anderes als gut: Ein freundliches Grüß Gott, guten Tag oder Ade.

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