Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25JAN2020
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Wie kann man all die Dunkelheit auf unserer Welt aushalten? Gewalt und Krieg, Lügen und Streit, … Was soll man da als einzelner Mensch schon sinnvoll ausrichten? Das fragen sich manche.

Der griechische Theologe und Philosoph Alexandros Papaderos ist mal von einem Mann gefragt worden: „Was ist der Sinn des Lebens?“ Das war am Ende eines längeren Seminars, das er auf der Insel Kreta gegeben hatte. Die anderen Teilnehmenden haben gelacht und schon ihre Sachen gepackt. Sinn des Lebens – als ob man das mal kurz beantworten könnte … Doch Papaderos hat die Hand gehoben. Er hat den Fragenden lange angeschaut. Und dann hat er gesagt: „Ich will Ihnen antworten.“

Aus einer alten Brieftasche hat Papaderos eine Spiegel-Scherbe gezogen. Die hatte er als Kind auf einer Straße gefunden. Und er hat erzählt: „Ich begann damit zu spielen und bemerkte plötzlich, wie ich Sonnenstrahlen einfangen und sie umleiten konnte in Ecken, wo niemals die Sonne hinkam. Das wurde ein intensives Spiel. Bis in die dunkelste hintere Ecke einer Schublade brachte ich die Lichtstrahlen.“

Für Papaderos ist das ein größeres Sinnbild geworden: „Ich bin eine Scherbe eines Spiegels, dessen ganze Gestalt und ganze Größe ich nicht kenne. Und dennoch: Mit dem, was ich habe, kann ich Licht an die dunkelsten Orte dieser Welt bringen […]. Das ist der Sinn meines Lebens.“ [Robert Fulghum, „It Was On Fire When I Lay Down On It“, Toronto 1989]

Ich glaube, genau das hat Jesus gemeint, als er gesagt hat: „Ihr seid das Licht der Welt“ [Matthäus 5,14a]. Das heißt doch: „Wo ihr lebt, wird es heller. Das könnt ihr, dafür seid ihr gemacht.“

Und die Sache mit dem Spiegel zeigt mir: So schwer ist das gar nicht. Ich muss nicht mit eigener Kraft leuchten. Ein Spiegel leuchtet auch nicht selbst. Aber ich kann Gottes Licht umleiten, dahin, wo Menschen im Schatten stehen. Ich kann einem Menschen beistehen, der sonst niemanden hat. Ich kann die unterstützen, die allein zu wenig Kraft haben für ihren Alltag. Ich kann Geld geben für die, die hungern. Es gibt viele Möglichkeiten, Gottes Licht zu verbreiten.

„Ich kann Licht an die dunkelsten Orte dieser Welt bringen.“ Hat Alexandros Papaderos damals gesagt. Und er hat seinen Spiegel genommen, die durchs Fenster fallenden Sonnenstrahlen aufgefangen und dem Fragesteller ins Gesicht und auf die Hände geleuchtet.

Mir gefällt das. All die Dunkelheit auf unserer Welt – die muss ich gar nicht aushalten. Und schon gar nicht ausleuchten. Es reicht, wenn ich dort, wo ich bin, das Leben ein kleines bisschen heller mache. Und dafür reicht oft schon eine offene Begegnung, ein Lächeln, ein nettes Wort, oder eine Hand voll Euro.

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