Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23JAN2020
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Soll man Kinder zu einer Beerdigung mitnehmen? Als Pfarrer begegnet mir diese Frage immer wieder. Oft wird sie mir auch direkt gestellt. Von Eltern oder anderen Angehörigen, die sich da unsicher sind.

Soll man Kinder zur Beerdigung mitnehmen? Allgemein beantworten kann ich das nicht. Da kommt es ja auf viele Dinge an: Wie alt sind die Kinder? Wie gut können sie sich auf fremde Situationen einlassen? Wie nahe stehen sie dem Menschen, der da gestorben ist? All das spielt eine Rolle.

Was ich aber immer wieder wahrnehme: Die meisten Kinder können auffallend gut mit dem Tod umgehen. Auch sie sind natürlich traurig, auch sie können weinen. Aber sie denken dann auch auf ihre Weise weiter. Und sie lassen sich auch trösten.

Deshalb mache ich grundsätzlich Mut dazu, Kinder zur Beerdigung mitzunehmen. Auch deshalb, weil ich manchmal den Eindruck habe: Es sind eher die Erwachsenen, die mit diesem Anlass Schwierigkeiten haben. Die sich schämen, ihre Trauer offen zu zeigen. Und dann vielleicht versuchen, ihre Kinder davor zu schützen. Vielleicht auch, weil man sie früher selbst als Kinder nicht mitgenommen hat? Vor 30, 40 Jahren war das ja noch nicht üblich.

Mit dem Tod ist es doch so wie mit vielen anderen Dingen: Irgendwann muss ich mich ihm stellen. Und dann kommt viel darauf an, ob ich diesen Umgang schon eingeübt habe. Warum nicht schon in frühen Jahren? Wenn die Kinder sich selbst ein Bild machen können, bleiben sie auch nicht ihren Fantasien überlassen. Die ja vielleicht viel schrecklicher sind als das, was dann wirklich vor sich geht.

Soll man Kinder zur Beerdigung mitnehmen? Vor ein paar Tagen mussten meine Frau und ich diese Frage selbst klären. Mein Onkel war gestorben – und es war zu entscheiden: Wer kommt mit?

Unsere siebenjährige Tochter hatte am Tag der Beerdigung einen ganztägigen Ausflug mit der Schule. Den wollten wir ihr nicht nehmen, und meine Frau ist als Begleitperson mitgegangen. Unseren fünfjährigen Sohn habe ich dann zur Beerdigung mitgenommen. Und auch unsere zweijährige Tochter – für die hatte ich schlicht keine Betreuungsmöglichkeit. Beiden habe ich vorher genau erzählt, was uns erwartet. Sie haben dann sehr interessiert zugeschaut, manche Fragen gestellt. Als der Sarg hinabgelassen wurde, wollten sie möglichst nah dran sein, ohne jede Berührungsangst. Und jemand hat zu mir gesagt: „Etwas mehr Leben tut dem Anlass doch gerade gut.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30170
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