Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13JAN2020
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„Ist das schön!“ Wenn wir etwas Begeisterndes erleben, dann entfährt uns fast unwillkürlich dieser Satz. Besonders intensiv empfinde ich solche Erfahrungen ganz oben auf den Bergen.

Der Aufstieg hat viele Stunden gedauert und war sehr anstrengend. Manchmal habe ich dann schon daran gedacht, abzubrechen und umzukehren. Aber auf dem Gipfel angekommen, hat mich der Ausblick auf die Landschaft im Tal und die Aussicht auf die Berge ringsherum entschädigt, und alle Mühen haben sich gelohnt, waren manchmal sogar vergessen.

So eine Erfahrung ist auch in der Bibel beschrieben (Matthäus 17,1-9). Jesus lädt seine Jünger Petrus, Jakobus und Johannes ein, mit ihm auf den Berg Tabor zu steigen. Oben angekommen passiert Überraschendes. Jesu Gewand wird auf einmal strahlend hell. Und er selbst auch. Die Jünger müssen den Eindruck gewonnen haben, sie können gewissermaßen einen Blick in den Himmel werfen. Noch dazu begegnen Jesus zwei bedeutende Persönlichkeiten seines Glaubens: Mose und Elija.

Petrus will nun das machen, was heute ganz viele Menschen machen, er möchte den Augenblick festhalten. Petrus will drei Hütten bauen. Wir machen heute ein Foto oder ein Video, als Erinnerung.

Zu Hause kann man sich dann alles noch einmal anschauen. Das ist zweifellos schön. Ich mache selbst oft Fotos, im Zeitalter des Smartphones sogar eher noch mehr als früher.

Doch liegt auch eine Gefahr darin. Man schaut alles nur noch unter der Perspektive an, ob es sich wohl lohnt das zu fotografieren. Entweder um es anderen zu zeigen oder um es sich selbst später wieder anzusehen. Schade ist es nur, wenn man zu Hause feststellt, dass man zwar wunderschöne Bilder hat, sich selbst aber gar nicht so intensiv an die Situationen erinnern kann. Man hat sie ja nur durch den Sucher der Kamera erlebt.

Petrus durfte keine Hütten bauen, aber die Erfahrung oben auf dem Berg hat sich tief in die Herzen der Jünger eingepflanzt. Daraus haben sie gelebt, besonders als Jesus dann zum Tode verurteilt wurde und gestorben ist.

Ein jeder von uns braucht solche Erinnerungen, die uns durchs Leben tragen und die tief in unseren Herzen verwurzelt sind, nicht nur als Bild oder Videoclip. Sonst verpassen wir vielleicht den schönsten Augenblick.

Pfarrer Joachim Sohn, Furtwangen, alt-katholische Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30116
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