Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07JAN2020
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„Es war einmal ein Krokodil“ so fängt der Tischspruch an, den Matthis im Kindergarten gelernt hat. Sie sagen das vor dem Essen alle zusammen, damit alle dann auch miteinander anfangen. Finde ich gut. So geht der Spruch weiter: „Es war einmal ein Krokodil, das fraß und fraß und fraß so viel, es schlürfte und schmatzte, bis es endlich platzte!“ Dann klatschen alle laut in die Hände und sagen „Guten Appetit“. Dann geht’s los, am liebsten mit Spaghetti und Tomatensoße.

Ich finde das gut, dass sie lernen, zusammen anzufangen. Und weil er das im Kindergarten gelernt hat, machen sie es zu Hause auch so. Aber manchmal sagt Matthis: „Ich will beten“. Meistens, wenn die Oma zu Besuch ist. Dann beten sie: „Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümchen trinkt von dir, du hast uns auch nicht vergessen, lieber Gott, wir danken dir.“

Ich finde das gut, dass Matthis beides lernt: Zusammen anfangen und beten. Ich finde das gut, dass seine Eltern das ernst nehmen, wenn er beten vorschlägt, auch, wenn sie sonst vielleicht nicht beten. Und vor allem finde ich gut, dass Matthis als erstes danken lernt. Er lernt nicht, ich will dies und ich möchte das. Matthis lernt danken. Dass er froh sein kann, dass es genug zu essen gibt. Und dass das nicht selbstverständlich ist.

Natürlich weiß ich, dass es auch andere Erfahrungen gibt. Längst nicht alle Kinder haben genug zu essen. Kinder verhungern, auch heute noch, obwohl das eigentlich nicht nötig wäre. Unsere Welt könnte sie ernähren. Blümchen verdorren, weil es immer wärmer wird auf der Erde. Das wird Matthis leider alles auch noch lernen, wenn er größer wird.

Aber erst einmal lernt er zu begreifen, wie gut es ihm geht. Dass er sogar teilen kann mit dem kleinen Bruder, ohne dass er Angst haben muss, dass es nicht reicht. Wie schön, wenn das Leben so anfangen kann: mit Dankbarkeit. Ich glaube, dass so ein Anfang ein Leben prägt. Man muss nicht immer nur auf sich selber sehen, wenn man Grund hat, dankbar zu sein.

Irgendwann wird Matthis hoffentlich auch begreifen, dass der Spruch vom Krokodil etwas anderes ist als das Dankgebet zu Gott. Irgendwann wird er hoffentlich mehr von Gott hören und lernen, dass man sich auf ihn verlassen kann. Nicht bloß, wenn es einem gut geht, sondern auch, wenn man traurig ist. Dann hilft Gott, das auszuhalten. Ich hoffe, dass Matthis das lernt. Von seinen Eltern und Großeltern vor allem.

Manchmal übrigens betet Matthis selbst. Dann sagt er: „Lieber Gott, segne flott!“ Das hat auch Tradition in der Familie.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30108
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