Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

30DEZ2019
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O magnum mysterium. Oh großes Geheimnis. Das ist ein Chorstück, das ich in einem Konzert zu Weihnachten gehört habe. Das Ensemble hatte sich dazu in einem Kreis aufgestellt. Sie sangen einander zu. Nicht für die Zuhörer, sondern für sich selbst. Ganz konzentriert auf eine vermeintliche Mitte, in der aber nichts zu sehen war. Um so mehr zu hören - in einem feinen ergreifenden Gesang: Oh großes Geheimnis und wunderbares Heiligtum: dass Tiere den geborenen Herrn sehen, der in der Krippe liegt

Der Überlieferung des Lukasevangeliums zufolge ist Jesus in einem Viehstall zur Welt gekommen. Der lang ersehnte Messias. Der Retter der Welt. Gottes Sohn, wie die Christen später gesagt haben. Im Laufe der Jahrhunderte hat man sich die Szene immer mehr ausgemalt. Es kamen Tiere dazu, die dort im Stall etwas zu essen haben und Wärme suchen, eine Kuh, ein Esel vielleicht, Schafe und ein Hund. Sie sind dabei, als Maria ihr Kind auf die Welt bringt. Sie sehen als erstes den, auf den so viele hoffen. Kein Priester, kein König und auch sonst kein wichtiger Mensch. Niemand hält eine Rede. Es fällt kein Wort. Gott wird Mensch. Und alles bleibt still. Die Tiere stehen dabei und schauen zu. Sonst nichts. Erst als die Hirten von den Feldern zurückkehren, kommt Bewegung in die Sache. 

Im Gesang O magnum mysterium wird dieser innige Moment festgehalten. Ruhig und geheimnisvoll. Voll Ehrfurcht und Staunen. Mich hat fasziniert, wie sich das auf die zwölf Frauen und Männer ausgewirkt hat, als sie gesungen haben. Sie waren völlig aufeinander bezogen, konzentriert, um nur ja im Gleichklang zu bleiben, damit kein falscher Ton, keine rhythmische Schwankung das Geheimnis trüben würde. Die Ausrichtung auf das Ganze im Chor hat ihren Vortrag total geprägt. Und das habe ich wie ein kleines Wunder empfunden. Dass Menschen dazu in der Lage sind: sich einer Sache ganz hinzugeben. Und das nicht allein, sondern in Gemeinschaft und bezogen auf andere. Jedenfalls ging ich beglückt und getragen von der Musik nach Hause. Und ich versuche, der Erinnerung daran einen Platz bei mir zu schaffen. Damit ich sie wieder hervorholen kann, wenn ich enttäuscht bin, weil Menschen versagen oder hinter ihren großen Möglichkeiten zurückbleiben. Das kam im vergangenen Jahr hin und wieder vor, und es wird im kommenden so sein. Dann beflügelt mich hoffentlich das Wissen, dass es auch anders geht, wenn wir nur wollen.

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