SWR1 Begegnungen

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26DEZ2019
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Margarete GortnerPeter Annweiler trifft Margarete Gortner

Unterstützung finden
Die 62jährige hat beruflich viel mit Weihnachten zu tun. Bei der Diakonie in Pirmasens berät sie Eltern, Kinder und Jugendliche. Oft arbeitet sie mit getrennten Paaren und ihren Kindern – und erfährt dabei, wie schnell unterschiedliche Interessen zu Konflikten führen können: Besonders an den Feiertagen zeigt sich, was da alles geregelt werden muss.

Nehmen wir ein Beispiel: Ein Kind besucht gerne den  , zusammen mit einem Elternteil. Der andere Elternteil hat mit Gottesdienst überhaupt nichts am Hut, er ist aber derjenige, der an diesem Tag für das Kind zuständig ist.

Herzenswünsche von Kindern auf der einen Seite. Und manchmal juristisch geklärte Zuständigkeiten auf der Elternseite. Das ist der Stoff, aus dem kleine und große Dramen entstehen können.

Es gibt dann Konflikte, wenn Eltern es nicht schaffen, auf das Kind zu schauen, das Kind im Blick zu haben, mit seinen Bedürfnissen und nicht etwa dem Gedanken zu folgen: „Ich habe das Recht und den Anspruch über die Zeit des Kindes zu verfügen – und ich bin sozusagen ein ‚Gönner’, wenn ich dem anderen Elternteil das Kind einmal überlasse, für zwei Stunden extra.“

Auf das Kind schauen – in Krippenspielen und Weihnachtsgottesdiensten üben wir ja eigentlich genau das: Auf das Kind schauen, seine Verheißung und den Frieden spüren, der von ihm ausgeht. Margarete Gortner fällt in ihren Gesprächen mit getrennt lebenden Elternteilen auf, wie manchmal gerade dieser Blick fehlt.

Da kann man schon den Eindruck gewinnen, dass Kinder so etwas sind wie ein „geschätzter Gegenstand“, der hinübergegeben wird zur Überlassung – gütig und mit großem Herz. Eltern verstehen oft nicht, dass Kinder unter dem Eindruck der Trennung und der Konfliktlage nichts mehr wünschen als eine Einigung und einen guten Blick der Eltern zueinander.

Doch wie kann der wieder entstehen, wenn ein Paar sich entzweit hat? Da sind die Verletzungen doch oft so tief, dass kaum ein wertschätzendes Gespräch zu Stande kommt.

Also braucht es unbedingt einen haltenden Rahmen – und das bieten wir in der Beratungsstelle, wo es möglich ist, ohne persönliche Verletzungen wirklich zuzuhören, was eigentlich der andere möchte. Ich vereinbare dann, dass mein kleiner Assistent – das ist ein Quietsch-Schwein – dass der immer dann quietscht, wenn es losgeht mit einer persönlichen Abwertung oder wenn eine Beschuldigung oder Verallgemeinerung im Raum ist.

Schön, wenn im Schutz der Beratung auch Eltern in Trennung besser zu einander finden. Und wenn sie dann dadurch auch wieder gemeinsam auf ihr Kind schauen, stellt sich in meinen Augen „Weihnachten “ ein – auch wenn das im März oder im Mai sein sollte.

Beziehungen stärken

Margarete Gortner berät Eltern, Kinder und Jugendliche bei der Diakonie in Pirmasens. Rund um die Feiertage und zwischen den Jahren kriegt die 62jährige Mutter und Großmutter da viel mit von den Sehnsüchten und Enttäuschungen in Familien. Besonders gut kennt sie die Herausforderung von Patchworkfamilien, wenn also bisherige und neue Familienmitglieder zusammen leben.

Behutsam und respektvoll nähert sich die Therapeutin ihrem Thema an:

Da werden Stoffteile zusammengesetzt, die eigentlich in einem anderen Großen und Ganzen gewachsen sind. Und so ähnlich ist es auch in der Patchworkfamilie: Menschen kommen zusammen, die unterschiedliche Traditionen haben, die unterschiedliche Rituale haben, auch gerade in Bezug auf Feste.

Margarte Gortner erlebt dann in ihren Gesprächen, wie schwierig es für Eltern ist, Feiertage zum Wohl der Kinder zu gestalten: Jedes Elternteil hat da klare Vorstellungen – und manchmal wird deshalb ein Kind an den Feiertagen zeitlich „zerrissen“, um scheinbar allen Seiten gerecht zu werden.

Und gerade über dieses individuelle Wollen wird vergessen, dass ein Kind ein Mensch ist, der Obhut braucht – und die Bereitschaft der Eltern, sich zu einigen über schwierige Dinge und auch Regeln einzuhalten und Absprachen einzuhalten.

Schon die biblische Weihnachtsgeschichte stellt die „Obhut“ für ein Kind in einer ungewöhnlichen Familienkonstellation in den Vordergrund: Eine Minderjährige hat ja da bekanntlich in einem Stall ein Kind mit unklarer Vaterschaft geboren. Josef, der Mann an Marias Seite, ist sich nicht sicher, ob das Kind von ihm ist. Trotzdem nimmt er die soziale Vaterschaft an – und die Drei fliehen vor dem Gemetzel des Königs Herodes nach Ägypten. Beschützt durch einen Wink des Himmels und zusammengehalten durch den Blick auf das Kind machen sie sich auf den Weg, erzählt die Bibel: Alles andere als ein „heiliges“ Familienidyll von „Vater, Mutter, Kind“. Sicher eher eine sehr herausfordernde Wegstrecke – und bestimmt gab es da oft nur „zweitbeste“ Lösungen. Aber da ist ein gemeinsamer Wille, gut für ein Kind zu sorgen. Und der ist für Margarete Gortner Kern des Weihnachtsfestes – auch und gerade in Patchworkfamilien:

Gerade, wenn es keine gute Lösung gibt, was die Feiertagsaufteilung anbelangt, sich klar zu machen, dass Weihnachten kein Datum ist – sondern ein Raum, ein Zeitraum, der gefühlt werden will: Durch Beziehung.

Weihnachten ist mehr als ein Datum. Deshalb wird es erst wirklich weihnachtlich, wenn wir Beziehungen mit Leben und Liebe füllen: Zu Kindern, Partnern, Eltern und Geschwistern, aber auch zu ehemaligen Partnern, mit denen wir eine Geschichte behalten und im Scheitern verbunden bleiben.
Schön, wenn wir an Weihnachten Beziehungen liebevoll stärken können. Dadurch bleibt es zurecht ein wichtiges Familienfest.

Informationen zu Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie unter
www.dajeb.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30027
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