SWR1 3vor8

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26DEZ2019
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Was für ein Text zu Weihnachten. Im Matthäusevangelium für heute steht: „Nehmt euch vor den Menschen in Acht. Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern und der Vater das Kind und Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.“ Dieser Textausschnitt entspricht so gar nicht meinem weihnachtlichen Gefühl. Bei mir geht es eher ums sich freuen, strahlen, verwundert sein.

Aber klar, der Text wird heute nicht ohne Grund gelesen. Ich glaube, weil er deutlich macht, dass sich jetzt alles ändert. Mit der Geburt Jesu ist nichts mehr, wie es war. Gott wird Mensch und kommt auch noch in einem Stall zur Welt. Ein kleines hilfloses Baby.

Aber so wird gleich von Anfang an klar, dass dieser Mensch besonders ist. So ganz anders. Und dass er nicht tut, was von ihm erwartet wird. Alle haben auf den `Sohn Gottes´ oder den `Messias´ oder den `Retter der Welt´ gewartet. Und jeder stellt sich vor, dass so jemand mit Pauken und Trompeten kommt und mit lauter Stimme, machtvollem Arm und entsprechenden Finanzen die Welt umkrempelt.

Und dann kommt da dieses kleine Baby und um ihn rum nur Leute, die zur damaligen Zeit sozial ausgegrenzt waren. Die Eltern: jung und nicht verheiratet. Die ersten Besucher: Hirten und dann kommen auch noch Ausländer auf der Suche nach besonderen Sternen. Völlig verkehrte Welt.

Das zieht sich durch das ganze Leben von Jesus. Er kümmert sich immer um die, mit denen sonst niemand was zu tun haben will. Psychisch und körperlich Kranke, Kinder, Frauen. Und er macht klar, dass alle gleich viel wert sind - weil sie Menschen sind. Gott unterscheidet nicht. Das ist radikal. Heute noch und damals gleich zweimal.

Zusammen mit dieser düsteren Aussicht, gibt es aber im Text eine tolle Versprechung: macht euch keine Sorgen, was ihr sagen sollt. Wenn ihr angefragt werdet oder sogar bedroht, oder auch, wenn ihr von Gott sprecht und wisst nicht, wie, verlasst euch auf den heiligen Geist. Diese Kraft hilft euch und ihr werdet Worte finden.

Das kann ich tatsächlich nachvollziehen. Ich feiere auch Beerdigungen. Da habe ich das ganz oft. Nach dem Gespräch mit der Trauerfamilie denke ich: wie schwer ist es, das Leben eines fremden Menschen in die richtigen Worte zu fassen. Und dann finde ich doch den passenden Bibeltext und meine Worte dazu. Das ist für mich Heiliger Geist.

Jesu Leben ist radikal. Von Anfang an. Aber es ist auch voller Heiligem Geist. Und genau diese Kombination ist für mich Weihnachten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes und geistreiches Weihnachtsfest.

  

zu Grunde liegende Bibelstelle: Mt 10,17-22

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29987
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