Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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21DEZ2019
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Ein leuchtend roter Weihnachtsstern begleitet mich auf dem Weg durch den Advent. 

In Mexiko, wo diese Pflanze herkommt, erzählt man sich dazu eine nette Geschichte: Zwei arme Waisenkinder, Pepita und Pedro, machten sich an Heilig Abend auf den Weg zur Christmette. Weihnachten liegt in Mexiko mitten im Sommer. Daher bringen die Menschen bunte Blumen aus ihren Gärten zur Krippe. Pepita und Pedro aber haben keinen Garten. „Wir könnten doch ein paar Gräser vom Wegrand pflücken“, sagt Pepita zu Pedro „das ist doch besser als gar nichts“. Also zupfen sie ein paar vertrocknete Grashalme und legen das seltsame Gebinde verschämt an der Krippe nieder. Doch kaum berührten die welken Halme den Boden, so erzählt diese Geschichte, verwandelten sie sich in Blumen von leuchtendem Rot. Jedes der Gräser war zu einem Weihnachtsstern geworden. 

Nun ja – das klingt nach einem frommen Ammenmärchen. Und doch transportiert   diese Mär eindrucksvoll die eigentliche Botschaft des Advent: Was vertrocknet ist, blüht wieder auf! Was banal und schäbig daherkommt, gewinnt plötzlich Glanz. Was tot ist, wird lebendig.  

Die Bibel verknüpft diese Hoffnung mit dem Bild des abgestorbenen Wurzelstocks, der wie durch ein Wunder wieder austreibt und Blüten trägt. „Es ist ein Ros´ entsprungen“, singen wir in der Heiligen Nacht.    

Aber ist das alles nicht doch nur adventliche Poesie? - Nein, denn in der Seelsorge erlebe ich manchmal erstaunliche Dinge: Ehepartner, die sich fremd geworden waren und deren Liebe erkaltet schien, öffnen sich wieder füreinander. Lernen, sich zuzuhören  und miteinander zu sprechen. Streithanseln gelingt es mit Hilfe einer Mediation, sich endlich zu versöhnen. Am meisten wundere ich mich, wenn Kranke wieder gesund werden oder lernen, mit ihrer Krankheit zu leben. Zu leben, und nicht nur zu vegetieren. Oder wenn Trauernde wieder zurück ins Leben finden. 

Pedro und Pepita verraten mir, wie sowas geht. Es braucht ein bisschen Mut und viel Vertrauen, einen welken Graswisch an der Krippe abzulegen. „Fasset Mut und habt Vertrauen“, heißt es in einem Adventslied. Was in unserem Leben welk und vertrocknet war, kann an der Krippe vielleicht wieder aufblühen – wie ein leuchtend roter Weihnachtsstern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29952
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