Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13DEZ2019
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Jäger haben es nicht leicht. Ich meine nicht die Jäger, die mit der Flinte in den Wald gehen. Ich meine die Menschen, die von ihrer Persönlichkeit her ein Jäger sind. Ich bin so ein Jäger, und viele andere Menschen sind es auch.

Jäger sind Menschen, die spontan sind und nicht gerne planen. Etwas lange im Voraus vorzubereiten, ist ihnen ein Graus. Sie kommen erst in die Gänge, wenn es gar nicht mehr anders geht. Dafür mögen sie Herausforderungen, die plötzlich auf sie zukommen. Dann sind sie voll da und können Außergewöhnliches leisten. Das sind alles Eigenschaften, die früher bei der Jagd gefragt waren. Deshalb nennt man solche Menschen Jäger.

Der Gegentyp zum Jäger ist der Landwirt oder Farmer. Farmer sind Menschen, die lange im Voraus planen und immer gut vorbereitet sind. Sie teilen sich ihre Aufgaben ein und arbeiten sie kontinuierlich ab. Wie ein Landwirt. Der überlegt auch lange vorher, was er wo anbaut. Er plant, wann er pflügt, sät und erntet. Dafür handeln solche Menschen nicht so gerne spontan. Und wenn sie unvorbereitet in eine schwierige Situation geraten, ist ihnen das unangenehm.

Jeder Typ hat also seine Stärken und Schwächen. Aber ich fürchte, heute sind vor allem die Stärken der Landwirt-Typen gefragt. Schon allein jeden Tag acht oder mehr Stunden auf einem Level zu arbeiten, entspricht dem Landwirt mehr als dem Jäger. Und dann wird in vielen Berufen immer mehr in Projekten gearbeitet. Über Wochen und Monate planen, vorbereiten und durchführen, das liegt einem Jäger nicht. – Schlechte Zeiten für Jäger also.

Einen Jäger habe ich auch in der Bibel gefunden: Er heißt Esau. Gegenüber seinem Bruder Jakob, einem Landwirt, kommt Esau nicht besonders gut weg. Zu Unrecht, finde ich. Esau ist ein ehrlicher Typ, ohne Hintergedanken, aufbrausend, aber nicht nachtragend. Ich mag ihn.

Es hilft schon was, wenn man weiß, dass man ein Jäger ist. Früher habe ich mich zum Beispiel über mich selbst geärgert, weil ich vieles auf den letzten Drücker mache. Jetzt weiß ich, dass das bei mir halt so ist. Und ich habe auch einen gewissen Trotz entwickelt: Solange es rechtzeitig ist, ist es gut. Eine Arbeit wird nicht dadurch besser, dass sie drei Tage vorher fertig ist.

Auch bei der Berufswahl ist es gut zu wissen, wenn man ein Jäger-Typ ist. Einen Job, in dem nur Jäger-Qualitäten gefragt sind, wird man kaum finden. Aber wenn die Hälfte der Arbeit aus Planen besteht, sollte man als Jäger die Finger davon lassen. Aber man kann ja auch außerhalb des Berufs Jäger sein: Im Sport zum Beispiel oder beim Musikmachen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29917
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